aUSGABE 6/2018 Ideen zur Erzieher(innen)ausbildung

„… Wird der Schlüssel hingegen auf dieses Personal angewendet, geht dies zulasten der Berufsanfänger(innen), die das nicht leisten können…“.

Zweiter Teil des Gespräches mit Juliane Pfeil-Zabel (SPD). Den ersten Teil finden Sie im CORAX 6/2019 „Armut trotz Geld“, S. 12 f.

Juliane Pfeil-Zabel (J. P.-Z.): Das war gut, dass wir das gemacht haben. Das sind bis zu 50 Euro im Monat, die erstattet werden können. In der Summe sprechen wir von jährlich 600 Euro. Das Kultusministerium geht davon aus, dass im Durchschnitt 100 Euro Schulgeld bezahlt werden. Eine komplette Erstattung des Schulgelds wird es im Normalfall nicht geben. Wir reden von einem kleinen Signal, das Bewegung in der Sache schafft. Doch wenn wir uns das Gesamtpaket anschauen, habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Patrick Schreiber für den Kitabereich in den letzten Jahren viel erreicht. Wir haben den Gesamthaushaltsposten Kita seit 2014 verdoppelt, von 400 Millionen Euro auf über 800 Millionen Euro. Zugleich haben wir im Haushalt noch die Vor- und Nachbereitungszeit verankert. Wir gingen damit weit über unseren Koalitionsvertrag hinaus, was richtig war. Mehr war jedoch politisch nicht mehrheitsfähig.

CORAX: Also haben sie in dieser Legislatur eher auf die Attraktivität des Berufs geschaut und weniger auf die Ausbildung?

J. P.-Z.: Das ist richtig. Aber man kann nicht die eine Seite gegen die andere ausspielen. Da geht es um die Frage, welche Arbeitsbelastung erwartet mich in meinem zukünftigen Arbeitsalltag. Die Belastung ist nicht zu unterschätzen, medial wird dies natürlich zurecht vermittelt. Die Qualitätsverbesserungen, die Schlüsselabsenkungen und die Einführung der Vor- und Nachbereitungszeit sind die richtigen Signale. Und die Schritte waren wichtig und richtig. Es reicht noch nicht aus, der Betreuungsschlüssel ist noch immer zu hoch. Der Schlüssel ist nicht ehrlich, weil die Krankheits-, Urlaubs- und Weiterbildungszeiten der Erzieher(innen) darin nicht inbegriffen sind. Man darf nicht aus dem Blick verlieren, dass wir im Freistaat fast nur Fachkräfte an den Kitas beschäftigen und die Betreuungsquote sehr hoch ist. Wir reden von rund 90 Prozent Fachkräften an unseren Kitas. Und das ist für mich wichtig, es geht mir um die Qualität der Bildung. Schauen wir uns andere Bundesländer mit einem niedrigeren Betreuungsschlüssel an, dann finden wir an den Kitas oftmals viel mehr Assistenzkräfte. Wir haben zwar die Assistenzkräfteregelung in der Krippe in Sachsen, diese nutzen aber nur ganz wenige. Diese Qualität sollte gehalten werden, es geht schließlich um eine gute Bildung für die Allerkleinsten.

Aber lassen Sie mich noch einmal auf die Zahl 2.000 zurückkommen. Warum kommen die Erzieher(innen) nach ihrer Ausbildung nicht an den Kitas an? Was wir schon wissen, ist, dass viele nach ihrer Ausbildung noch studieren oder in anderen Bereichen der Sozialen Arbeit ankommen. Denn es wird außerhalb der Kita nach Fachkräften gesucht. Und zum Teil sind diese Stellen attraktiver und flexibler ausgestaltet. Um die Ausbildung und den Beruf ein Stück weit attraktiver gestalten zu können, wollen wir eine Verbleibstudie erstellen. Wir beginnen damit bereits Anfang dieses Jahres mit den jetzigen Absolventen.

CORAX: Wer macht das?

J. P.-Z.: Das wird gerade ausgeschrieben, das kann ich noch nicht sagen. Das Kultusministerium hat schon die Vergabe vorbereitet. Wir saßen als Projektgruppe mit dem Kultusministerium bereits am Tisch und haben unsere Wünsche mitgeteilt. Wir wollen rausfinden, wohin die Erzieher(innen) nach ihrer Ausbildung gehen und was die Gründe dafür sind. Nur durch die Analyse der Ursachen können wir die geeigneten Hebel zur Veränderung in Bewegung setzen. Liegt es beispielsweise am Lohn?

CORAX: Inwiefern?

J. P.-Z.: Wenn sich ein Erzieher oder eine Erzieherin beispielsweise dazu entschließt, in einem anderen Bundesland zu arbeiten oder nach der Ausbildung zu studieren, stellt sich natürlich die Frage der Entlohnung. Wechseln sie wegen eines höheren Gehaltes oder studieren sie deshalb noch? Ich glaube aber, dass die Antwort nicht so einfach ist. Wenn das so einfach wäre, bräuchten wir die Studie nicht. Parallel zur Verbleibstudie wird ein Fachkräftemonitor vom Sächsischen Sozialministerium erstellt. Der Monitor ist breiter aufgestellt, in den Blick genommen wird die Entwicklung der sozialen Berufe. Da dieser Monitor wesentlich umfangreicher ist und die Erstellung mehrere Jahre brauchen wird, soll die Verbleibstudie separat angefertigt werden. Wir wollen hier die Zahlen zeitnah auf den Tisch bekommen. Die Absolvent(inn)en werden im kommenden Monat befragt und dann noch einmal in ein paar Monaten, um die Angaben vergleichen zu können. Sollten die Ergebnisse noch nicht aussagekräftig sein, ist eine Ausweitung durchaus möglich. Aber vielleicht wollen wir noch einmal über den Weg sprechen, den Leipzig jetzt bei der Ausbildung eingeschlagen hat?

CORAX: Sehr gerne. Bereits jetzt werden schon 13 bis17 Prozent der Erzieher(innen) berufsbegleitend ausgebildet und vom Bund kommen jetzt noch Mittel hinzu.

J. P.-Z.: Man muss ein bisschen zwischen der Idee des Bundes und dem Ansatz in Leipzig unterscheiden. In Leipzig wurde letztes Jahr die Entscheidung getroffen, mit den Berufsschulen eine Kooperation einzugehen, und zugleich eine vergütete berufsbegleitende Ausbildung anzubieten. Das läuft wohl sehr gut und das schauen wir uns natürlich gerade sehr intensiv an. Es stellt sich die Frage, ob dieses Modell auf den Freistaat zu übertragen ist. Aber so weit würde ich noch nicht gehen. Man muss schauen, wie das in Leipzig angenommen und umgesetzt wird. Ich halte es nicht für abwegig, dass die berufsbegleitende Ausbildung der richtige Weg sein kann. Wenn wir das in Sachsen ausbauen wollen, dann müssen wir aber zuvor noch ein paar Baustellen beseitigen. Denn gerade für die Träger ist diese Variante nicht immer attraktiv. Als Vorstandsmitglied der AWO Plauen stand ich vor ein paar Jahren vor ebendieser Entscheidung. Und wir haben uns dagegen ausgesprochen, weil die Auszubildenden direkt in den Betreuungsschlüssel eingerechnet werden.

CORAX: Leipzig tut genau das nicht.

J. P.-Z.: Und das ist richtig. Aus diesem Grund war es mir wichtig zu betonen, dass das Modell nur unter gewissen Voraussetzungen übertragbar ist. Neben der Schlüsselanrechnung stellt sich die Frage nach den Praxisanleiter(inne)n.

CORAX: Sollte man die Auszubildenden nicht anrechnen, wäre das sicherlich für die Träger attraktiv. Selbst wenn sie dann die Praxisanleitungszeit zur Verfügung stellen müssten. Wird der Schlüssel hingegen auf dieses Personal angewendet, geht dies zulasten der Berufsanfänger(innen), die das nicht leisten können.

J. P.-Z.: Da stimme ich Ihnen zu. Das sind die Baustellen, von denen ich gesprochen habe. Wir spielen derzeit verschiedene Modelle durch. Bayern rechnet beispielsweise die Auszubildenden in den Kitas nur anteilig in den Schlüssel ein. In anderen Bundesländern wird es nach den Ausbildungsjahren gestaffelt. Das sind gerade die Diskussionen, die wir führen. Aber wir müssen an der Stelle ehrlich sein: Ich begleite das Thema noch bis zur Wahl. Was wir in dieser Legislatur schaffen konnten, haben wir umgesetzt. Ich hoffe, dass wir das Thema nach dem 1. September vorantreiben können. Zu tun gibt es noch genug.

CORAX: Haben Sie in der Koalition mal über einen Ausbildungsförderungstopf nachgedacht, insbesondere für die freien Träger? Beispielsweise um Praktikant(inn)en zu bezahlen?

J. P.-Z.: Nicht explizit im Zusammenhang mit der Erzieher(innen)ausbildung. Aber ich möchte nicht ausschließen, dass es in anderen sozialen Bereichen diskutiert wurde.

CORAX: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview für den CORAX führte Christian Hager, Mitglied der CPORAX-Redaktionsgruppe.

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