Streitgespräch: Kinder- und Jugendarbeit und Gesellschaft adultismuskritisch denken (lernen)
#2/2025
Hier finden Sie ergänzend zum Beitrag „Kinder- und Jugendarbeit und Gesellschaft adultismuskritisch denken (lernen). Streitgespräch der Redaktionsgruppe“ von Robinson Dörfel, MichaEla Gloger und Robert Schuster in der CORAX-Ausgabe 2/2025 die ausführliche Version des Streitgesprächs.
Ela: Die eine Frage wäre, die wir uns vielleicht auch am Anfang nochmal stellen könnten, sollten, was wir unter Adultismus verstehen. Also auch wenn das in der Ausgabe definiert wird und wenn das vielleicht nicht Teil des abgebildeten Streitgesprächs sein muss, aber dass wir nochmal kurz uns verständigen, was ist das aus unserer Sicht, auch mit Blick darauf, du hattest jetzt angefangen mit das ist ja eine Einstellung.
Robert: Auch, ja. Also, ich finde, so fängt es eigentlich an, dass halt Erwachsene eine Einstellung gegenüber Jugend und Kindheit haben, oder, ja, genau, gegenüber Jugend und Kindheit, wo halt ganz viele Glaubenssätze eine Rolle spielen, irgendwie fehlende Erfahrungen zum Beispiel, oder eher impulsgesteuertes Handeln und Denken, solche Geschichten. Also einfach weniger vernünftig. Ich denke Kinder und Jugendliche werden als weniger vernünftig von Erwachsenen, als Erwachsene eingeschätzt und daraus resultieren ja dann ganz viele Dinge, die folgen in der Gesellschaft für Kinder und Jugendliche.
Ela: Und ihnen wird unterstellt oder es wird angenommen, dass Sie die Komplexität von Prozessen nicht in der gleichen Art und Weise erfassen können wie Erwachsene, dass sie weniger Wissen haben, respektive mangelnde Erfahrung und damit auch in ihrer Entscheidungsfähigkeit beschränkt sind, also was ja auch Aspekte sind, die meines Erachtens so eine adultistische Sichtweise untersetzen, weil die Annahme ist ja, dass sie nicht gleichberechtigt in der Lage sind, aufgrund von fehlender Reife, mal mit der Kompetenz, mal mit dem Wissen, Entscheidungen zu treffen und/oder die Konsequenzen auch von bestimmten Prozessen abzusehen.
Robert: Und auch dieses, von Erwachsenen wird ja auch dieses Kind sein oder jugendlich sein als eine Art Beleidigung für andere Erwachsene verwendet. So was wie, keine Ahnung, können wir nicht miteinander reden wie erwachsene Menschen oder sowas. Das sind ja so Sprüche und das ist ja, es liegt ja bis zurück in die Kolonialzeit, wenn dann halt indigene Völker als Kindergesellschaften und sowas benannt wurden, um sich halt dann über die zu erheben und sowas. Also es ist ja schon sehr alt auch und sehr wirkmächtig.
Ela: Und es zeigt nochmal deutlich eine ungleich verteilte Machtposition auf. Oder eine angenommen ungleich verteilte Machtposition beziehungsweise Hierarchie.
Robinson: Ja, auch das mit den Sprüchen, da gibt es viele. Was ist das für ein Kindergarten hier, wenn irgendwie der Streit ausbricht oder das, was du benannt hast, da fallen uns bestimmt noch mehr ein. Das finde ich einen spannenden Zugang.
Ela: Und das Spannende ist ja, wenn du zum Beispiel diese Aussage „Was ist denn das für ein Kindergarten“ nimmst. Was steckt denn da eigentlich drin? Also was ist die Botschaft in der Aussage „Was ist das für ein Kindergarten“?
Robert: Es gibt keine vernünftige Diskussionskultur gerade.
Ela: Oder es ist anders oder nicht so organisiert, wie ich annehme, dass es sein müsste. Also Kindergarten ist ja auch super wuselig, ist ja auch so ein Toben und Wildsein und Spielen, was ja aus der Perspektive derer, die an diesem Spiel beteiligt sind, überhaupt nicht unorganisiert sein muss.
Robinson: Und ich denke es wird auch sozusagen die Sachebene ein bisschen abgesprochen. Es ist ja auch so eine reine emotionale, also, es wird sozusagen, wenn ich das in einer Diskussion sozusagen als Vorwurf formulieren. Was ist das hier für ein Kindergarten? Können wir nicht mal wie Erwachsene miteinander reden? Dann entzieht sich sozusagen die Formulierung, ihr reagiert hier nur emotional. Oder es gibt nur eine Ebene, die ihr bedienen könnt, nämlich die eines Kindes in dem Sinne in Anführungsstrichen. So ein bisschen wird sozusagen der Fachverstand oder der Sachverstand irgendwie abgesprochen.
Ela: Oder als geringer eingeschätzt. Also wenn es ums Spiel geht, ist ja die Meinung von Kindern und Jugendlichen nochmal anders gefragt. In bestimmten Kontexten, weil sie da auch als Expert*innen eher gesehen werden, aber eben auch begrenzt. Also die Erwachsenen definieren den Rahmen, innerhalb dessen zum Beispiel Kinder oder Jugendliche sich als Expert*innen äußern dürfen oder eine Expertise haben können.
Robert: Das ist spannend, da hat man ja schon ganz viel Ähnlichkeit mit anderen Diskriminierungsformen. Gerade so dieses, die emotionale Ebene ist stärker als die Vernunftebene. Das ist ja bei Sexismus und Rassismus auch genauso.
Ela: Und vor allem werden dann auch Kategorien aufgemacht. Also bei Sexismus ist es teilweise auch Geschlecht, das eine Rolle spielt, was ja bei Adultismus einfach Alter ist. Also es wird am Alter festgemacht, gar nicht an anderen Dingen, aber am Alter einer Person, dass sie zum Beispiel weniger Erfahrung oder weniger Reife besitzt oder das Wissen nicht hat oder die Kompetenz nicht. Und das ist ja eigentlich so absurd, weil die Frage ist ja, worum geht es denn eigentlich gerade und was wissen die Menschen, die am Tisch sitzen, über den Inhalt vom Gespräch, von der Entscheidung, von was auch immer, um sich dort einbringen zu können oder den Dialog führen zu können oder den Diskurs.
Robinson: Ich glaube, das beschreibt auch die Diskriminierungsform ganz gut. Also das Herabsetzen von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene allein aufgrund ihres Alters. Also das ist sozusagen das Kernmerkmal von Adultismus.
Ela: Und es zeigt sich ja auch in jeglicher Form von Gesetzen. Also wenn wir mal nur das Grundgesetz nehmen und die Tatsache, dass das Grundgesetz sich an Bürgerinnen und Bürger richtet, Bürger*innen aber als Personen definiert sind, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und damit per se auch wahlberechtigt sind. Dann sind da ja nur an bestimmten Stellen Menschen mitgemeint, die jünger sind als 18 Jahre. Was wiederum die Frage aufmacht, wie verhält es sich denn mit den Rechten, die dort definiert sind, die genauso sehr Menschen betreffen, die jünger sind als 18 Jahre, die ihnen aber nicht die gleichen Zugänge ermöglichen.
Robert: Und das finde ich ist auch nochmal ein wichtiger Unterschied zum Ageism oder Alterismus, wo es halt wirklich nur um irgendwie, wer so und so alt ist, hat die und die Eigenschaften, sondern da geht es halt wirklich um diesen Status „erwachsen“, der ist irgendwie gesetzlich auch legitimiert mit dem 18. Lebensjahr, aber nicht nur gesetzlich, auch so unter Jugendlichen fühlen sich halt manche einfach erwachsen und passiert dann auch ganz schnell dass sie sich dann über andere, auch Gleichaltrige, erheben, die sie als nicht so vernünftig, also nicht so erwachsen wahrnehmen. Das ist ja ein richtiges Label, was halt teilweise klar durch Gesetze definiert ist, ab wann das losgeht, aber auch so eine Selbstzuschreibung auch zulässt in gewissen Maßen.
Ela: Naja, und Gesetze regulieren ja zumindest formal, in welchem Rahmen dir ein gewisses Maß an Vernunft zugestanden wird. Stichwort Jugendschutzgesetz, Nichtraucherschutzgesetz und ähnliches. Also die Annahme ist ja, dass du mit 16 noch nicht in der Lage bist, Konsequenzen des Nikotinkonsums angemessen abzuschätzen. Deswegen darfst du bitte schön erst ab 18 rauchen. Also mal ganz platt und runtergebrochen. Oder die Tatsache, du darfst zwar ab 16 Wein und Bier trinken oder weinhaltige Getränke, aber keine hochprozentigen Sachen, die ja unterstellt, dass du in dem Alter offensichtlich noch nicht in der Lage bist, im Sinne von Safer Use höherprozentigen Alkohol so zu konsumieren, dass du verantwortungsbewusst damit umgehen kannst. Das kannst du aber offensichtlich, wenn du das 18. Lebensjahr vollendet hast.
Robinson: Also von einem Tag auf den anderen, das ist ja das Spannende. Gestern noch nicht, aber morgen kann ich es dann auf einmal. Woran wird das festgemacht? Eben nur am Alter. Und nicht an der Kompetenz oder an den Skills, die die dann entsprechend mitbringen.
Ela: Das berücksichtige ja auch nicht in was für Lebensumständen ich aufwachse oder wie meine Sozialisationserfahrungen sind. Es geht ja weiter mit, ab wann darf ich sexuelle Erfahrungen machen? Ab wann darf ich eine Liebesbeziehung eingehen, die auch körperlich wird? Formal sind alle Kinder, also alle bis 14-Jährigen, besonders schutzbedürftig. Das ist ja auch erstmal gut, weil Menschen sich erstmal mit Welt vertraut machen müssen und erfahren müssen, wie funktioniert das alles. Wie können gute, stabile, schützende, zwischenmenschliche Beziehung gestaltet werden. Gleichzeitig kann ich mich doch aber auch mit 12 verlieben. Und ich meine mit Blick auf so auch was sich gesellschaftlich verändert hat beziehungsweise wie sich auch das Jugendalter und die Jugendphase entwickelt hat und inzwischen ganz klar auch forschungstechnisch belegt ist, dass Jugend heute viel früher beginnt und wesentlich entzerrter ist und die Jugendphase an sich auch viel länger dauert. Kann ich das wirklich an einem Alter festmachen, an einem Geburtsdatum, das dann von einem Tag auf den anderen sagt, so, jetzt bist du 14, jetzt darfst du dich ausprobieren?
Robinson: Ich würde mal noch zwei Perspektiven zu deiner Eingangsfrage hinzufügen, was unsere Vorstellung oder unsere Annahme von Adultismus ist, bevor wir vielleicht da weitergehen, weil ich glaube, da sind wir schon ganz schön in dem ersten Punkt drin. Die zwei Sachen sind, das erste ist sozusagen, Adultismus ist, so wie ich es verstehe, die erste Diskriminierungsform oder eine der ersten Diskriminierungsformen, die Menschen so erfahren können. Und der zweite Punkt schließt da direkt an und es ist irgendwie, und alle sind betroffen. Es ist erstmal sowas, weil jeder Mensch ja jung ist und dann in der einen oder anderen Ausprägung diese Erfahrung macht. Ohne jetzt genau festlegen zu können, wie die aussieht für die einzelnen Personen. Aber das ist, glaube ich, noch mal wesentlich zu sagen. Also irgendwie sind alle davon betroffen auf eine gewisse Art und Weise. Wir hatten an einem späteren Zeitpunkt auch mal darüber gesprochen, wie sich das mit anderen Diskriminierungsformen verschränken kann, also Stichwort Intersektionalität, wo wir vielleicht später nochmal dazu kommen. Und es ist auch irgendwie die erste, also, weil das Leben beginnt ja erstmal mit jungen Jahren. Außer man ist Benjamin Button oder so.
Ela: Weiß ich gar nicht. Also ich frage mich gerade, wie das ist mit Ableismus. Weil das ist ja auch was. Menschen, die mit einer vor allem sichtbaren Behinderung oder merkbaren, merklichen Behinderung geboren sind, erleben das, glaube ich, auch sehr schnell und sehr stark.
Robinson: Aber dann vielleicht eine der ersten. Und das Vereinende ist halt, dass das wirklich tatsächlich alle betrifft. Genau. Die Abgrenzung zu Ageism ist halt eher so, dass das ja auch auf Alter oder das Alter als Diskriminierungsform sozusagen ansetzt, aber das eben in alle Richtungen funktioniert. Also dort ja auch Menschen, die ein bestimmtes Lebensalter überschritten haben sozusagen auch wieder von jüngeren sozusagen aufgrund ihres Alters dann. Die können nicht mehr entscheiden, die sind zu alt, die sind gar nicht mehr up to date, haben keine Ahnung von Social Media und all so. Da lassen sich ja unzählige Beispiele finden. Und darum, das ist glaube ich so der Unterschied zu Ageism, dass der auch unter Erwachsenen funktioniert und dann wiederum sozusagen die Differenz auch aufgrund des Alters aufmacht. Alte Menschen sollten nicht mehr Auto fahren, weil sie sind eine Gefahr für den Straßenverkehr.
Ela: Und junge Menschen dürfen noch nicht Auto fahren, weil du die Fahrerlaubnis ja auch erst ab einem gewissen Alter machen kannst. Also ich merke wie viel Verschränkung gibt es am Ende doch zwischen Ageism und Adultismus.
Robert: Ja, aber ich glaube da gibt es schon nochmal einen Unterschied. Ich würde Ageism auch so verstehen, wenn sich Jugendliche über Kinder erheben, zum Beispiel. Das wäre für mich Alterismus. Weil dafür braucht es den Erwachsenen-Status nicht. Das ist einfach, oder allein schon, keine Ahnung, 15-Jährige gegenüber 13-Jährigen, so aufgrund des Alters. Wir wissen genau, wie ihr seid und wo ihr seid. Und wir sind irgendwie viel weiter.
Ela: Verstehe ich. Aber war das nicht auch was, wo ich glaube, dieses Wort hieß Epiphanismus oder so ähnlich. Diese Diskriminierung von Kindern sozusagen, also diese Form nochmal, diese spezifische Ausprägungsform von Adultismus. Weil in dem Moment, wo die 15-Jährigen sich über die 13-Jährigen erheben, sie ja auch diese erwachsene Perspektive einnehmen oder vermeintlich erwachsene Perspektive.
Robinson: Aber ich glaube, das meint das nicht. Also das gab noch mal, ich habe zumindest in den Vorrecherchen, die ich gemacht habe, das muss man vielleicht tatsächlich noch mal gucken, ob das so stimmt. Da würde ich jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen. Aber das Adultismus bezieht sich also so sehr stark auf Kinder, es wird da noch mal eine Unterscheidung getroffen zwischen Kindern und Jugendlichen. Und dieses Epiphanismus bezieht sich, glaube ich, eher auf die Gruppe der Jugendlichen. Aber doch von Erwachsenenseiten wieder. Also das Phänomen ist nochmal, Adultismus ist sehr eng mit Kinder und dann eben auch Kinderrechten gewähren oder nicht gewähren verbunden. Also dort ist es zumindest im Diskurs in dem, wo ich mich so ein bisschen bewegt habe, ist es sehr stark eben auf Kinder erstmal abgestellt. Da sind Jugendliche nicht nochmal so spezifisch betrachtet. Sie fallen dann entweder mit rein, weil sie U18 sind und somit sozusagen per Gesetz nochmal einen anderen Status haben. Aber dieses Epiphanismus…
Ela: Epiphanismus. Genau genommen wird die Bezeichnung Adultismus bei Kindern von 0 bis 13 Jahren verwendet, bei Jugendlichen von 14 bis 17 Jahren spricht man von Epiphanismus. Im Grunde ist damit dasselbe Phänomen gemeint, nur eben auf Jugendliche beschränkt. Sagt Kinderbuero.at, Österreich. Genau.
Robert: Aber dann könnten wir ja jetzt vereinbaren, dass wir über beides reden, über Epiphanismus und Adultismus.
Robinson: Zumal die Begriffe ja schon wieder diese Altersgrenzen so stark aufmachen. Also bis 13 ist sozusagen Kind, unabhängig vom Entwicklungsstand oder von wie sie sich selber sehen als Person, wo sie sich gerade befinden. Und dann von 13 bis 17 ist jugendlich und dann bist du automatisch gleich erwachsen. Also das ist ja auch sehr starr in dieser formalen Altersstruktur gedacht.
Robert: Ja, das ist ja auch in der Jugendarbeit, irgendwie junge Menschen ist ganz klar definiert von 14 bis 26. Und wer darüber ist, Personen die halt 27 sind, dürfen theoretisch nicht mehr an den Angeboten der Jugendarbeit teilnehmen. Und darunter die auch nicht.
Ela: Und dann gibt es ja auch die wundervollen Altersgruppen, zum Beispiel, mindestens in Dresden, ich kenne das auch von vielen anderen Städten, für bestimmte Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit oder für zum Beispiel Mobile Jugendarbeit, wo ja dann klar gesagt wird, welche jungen Menschen ich mit meinem Angebot adressiere auf der Straße. Und dann eine große Diskussion entbrennt, die auch fachlich total nachvollziehbar ist, wenn zum Beispiel plötzlich die Lücke-Kids vorrangig auf der Straße unterwegs sind, die aber eigentlich nicht Zielgruppe der Mobilen Jugendarbeit sind.
Robert: Ja, genau. Also das ist auch einfach immer eine schwierige Praxis. Und da gab es ja auch letztens im Landesarbeitskreis Mobile Jugendarbeit Gespräche zu sehr jungen Adressat*innen, weil da immer mehr Menschen mit konfrontiert sind. Und Georg Grohmann vom LAK, der hat in der letzten „Forum Sozial“ auch einen Beitrag dazu geschrieben. Und das fand ich ganz spannend, dass er da auch empfohlen hat, das klar abzugrenzen und das nicht Kindern und Lücke-Kids so sehr verfügbar zu machen und die eigenen Angebote darauf auszurichten, weil es eben genau diese Gefahr hat, dass man dann für die Altersgruppe, für die man da ist, irgendwie nicht mehr den Fokus hat und die Angebote nicht mehr attraktiv für die Menschengruppe dann ist oder sein könnte.
Ela: Naja, und unabhängig von der Frage nach einer Diskriminierung aufgrund von Alter. Es macht ja durchaus Sinn zu schauen, für wen machen wir Angebote oder für wen machen wir die Arbeit in der Kinder- und Jugendarbeit und was sind so die Bedürfnisse der Zielgruppe? Und die Zielgruppe vor allem auch zu fragen oder die Adressat*innen, potenziellen Adressat*innen, Leistungsempfänger*innen zu fragen, was sie von uns brauchen. Und da gibt es ja eine ganz große Bandbreite, wo es wiederum mehr oder weniger Überschneidungen gibt, die Menschen auch ein Stück weit nach Alter zusammenfassen kann, weil in bestimmten Lebensabschnitten, die jetzt nicht nur rein vom Alter abhängen, aber die oft auch damit verbunden sind, Entwicklungsaufgaben passieren oder Fragen anstehen, die zu einem anderen Zeitpunkt im Leben noch weniger aktuell sind oder einfach mein Bedürfnis zum Beispiel ein anderes ist. Die Frage ist, wer entscheidet darüber? Sind es die Fachkräfte? Ist es eine Gesetzlichkeit? Sind es Fachstandards? Sind es die jungen Menschen? Und an welcher Stelle kann das auch sinnvoll mit Blick auf adultismuskritisches Handeln gedacht werden?
Robert: Ich glaube das Problem fängt halt da an, dass ich glaube, für Kinder und Jugendliche gibt es das Ideal „erwachsen werden“ und alles ist irgendwie darauf ausgerichtet irgendwann erwachsen zu sein, was auch immer das dann bedeutet, und sämtliche Kompetenzen erworben zu haben, die da irgendwie erwartet werden. Und solange das so gesehen wird, glaube ich, kommt man da gar nicht ursächlich ran. Weil wenn das immer nur quasi eine Phase zu einem Besseren, zu dem Erwachsenensein hin ist, dann kann ich das ja gar nicht unabhängig davon wertschätzen und anderes zulassen als in meiner Logik.
Ela: Dann kommt ja noch dazu, dass Gesellschaft ja auch auf dieses Ideal ein Stück weit ausgerichtet ist, in der Art und Weise wie Gesetzlichkeiten funktionieren, wie Strukturen, Institutionen aufgebaut und organisiert sind, wer sozusagen aufgrund welcher Voraussetzung in welche Position kommen kann, sich wie in Gesellschaft bewegen und einbringen kann, aber auch wie sich Entscheidungsgremien beispielsweise zusammensetzen.
Robinson: Das ist ein interessanter Punkt, weil ich habe irgendwie aus Studienzeiten noch John Locke in Erinnerung, so ein Brite. Der wird eng verknüpft mit „Die Entdeckung der Kindheit“. Da ging das so los mit, also die machen es auf an dem Bild, dass Kinder davor, irgendwie 14. Jahrhundert, ausgehendes Mittelalter auf jeden Fall, auf Bildern immer als kleine Erwachsene dargestellt wurden. Daran machen die das auf. Es sind einfach nur kleine Erwachsene, die Gesichtszüge, die Art und Weise, wie sie dargestellt werden, das legt diesen Schluss sehr nahe. Und daraus ist ja diese Bewegung sag ich mal entstanden, zu sagen, es braucht ja aber doch eine... also die ersten Schritte zur Anerkennung von Kindheit, damals ging es um Kindheit, ich würde jetzt mal Jugend einfach mit reinnehmen, als eigenständige Lebensphase und als besonders förderungswürdige. Das waren so die ersten Schritte aus diesen Hausschulen, die sich wohlhabendere Leute leisten können, hin zu einem Schonraum, wo Kinder und Jugendliche lernen können. Auch da ist natürlich immer noch die Adultismusperspektive drin, um eben dann zu vollwertigen Erwachsenen, das ist das was du gesagt hast, werden zu können. Aber zumindest erst mal die Entdeckung der Kindheit als eigenständigen Lebensabschnitt war ja eine große Errungenschaft damals. Damals waren sie einfach nur unfertige Erwachsene, die irgendwie mitgelaufen sind und dann vielleicht sozusagen modellhaft gelernt haben einfach aus ihrem Umfeld. Und das ist ja, ich glaube das ist so ein gesellschaftliches Bild, was sich so über viele Jahrzehnte dann auch in Schule zum Beispiel widerspiegelt, der ja immer noch so dieser abgekoppelte Raum ist. Da lernen Kinder das vermeintlich Wichtige fürs Leben, um dann eben gute Erwachsene sein zu können. Also auch so ein funktionalistischer Ansatz ist da ja da drin. Ihr seid unfertig und wir sind dafür da, um euch sozusagen fertig zu machen, komplett zu machen.
Ela: Und im wahrsten Sinne des Wortes auch fertig zu machen. Naja, wenn du an Schule denkst, was alles im Schulgesetz geregelt ist, auch die Beteiligung junger Menschen an Schule oder in Schule, einem zentralen Ort für ihr Leben. Die Entscheidungsmacht und die Ausgestaltungsmöglichkeiten liegen aber bei den Erwachsenen.
Robinson: Ausschließlich.
Ela: Das heißt also, junge Menschen können zwar formal ihre Stimme einbringen. Die Möglichkeiten aber, Erwachsene dazu zu bringen, tatsächlich in ihrem Sinne und orientiert an ihren Bedürfnissen mit ihnen gemeinsam Entscheidungen zu treffen, sind minimal.
Robinson: Damit legitimiert man auch dieses Machtungleichverhältnis. Es gibt ein Narrativ über Kinder und Jugendliche, das da heißt, ihr seid eben noch nicht erwachsen, euch fehlen entscheidende Kompetenzen, die Fähigkeit, eigenständige Entscheidungen zu treffen, zu wissen, was gut für euch ist und so weiter und so fort. Also das finde ich schon spannend. Da muss ich gleich an diese Fridays for Future-Bewegung denken, wo sich unter anderem Christian Lindner dazu erhoben hat zu sagen: „Das ist doch gar nicht euer Thema. Geht ihr erstmal in die Schule und lernt erstmal was, dann könnt ihr darüber reden, was Klimagerechtigkeit und so weiter ist.“ Also das ist ein Paradebeispiel dafür – tief verwurzelt im Mittelalter – wie so ein gesellschaftliches Narrativ auch verankert ist. Also wie stark das ist und kaum hinterfragt wird.
Ela: Und das führt ja eigentlich ad absurdum, was gerade junge Menschen aus so Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewegungen bewiesen haben und ständig beweisen, nämlich dass sie sich zu Expert*innen in bestimmten Sachen und Fragen selber machen, dass sie sich Wissen aneignen, dass sie sich tatsächlich damit auseinandersetzen, Forschungen lesen, Ergebnisse vergleichen und auch genau an den Stellen aufzeigen, wo manche Politiker*innen Reden geschrieben bekommen, damit sie im Bundestag oder im Landtag zu dem Thema aussagekräftig sind. Was jetzt nicht heißt, dass sie sich nicht vielleicht trotzdem auch mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Aber es ist so ein Ungleichgewicht, weil dem einen wird anerkannt, dass es vielleicht auch im Rahmen seiner Tätigkeit eine Unterstützung braucht. Die ist völlig selbstverständlich und legitimiert. Und auf der anderen Seite wird den jungen Menschen einfach aufgrund ihres Alters aberkannt, dass sie Expert*in sein können.
Robert: Und ja, selbst das Gleiche irgendwie, so Spicken in der Schule. Das ist ja quasi sehr ähnlich. Das ist ein wichtiger Moment, auf den ich nicht so vorbereitet bin, wie ich sein müsste. Also habe ich Unterstützung. Aber man soll ja in der Schule fürs spätere Leben lernen. Das ist so das eine. Und auch so zu den Narrativen, dieses eine Ziel „erwachsen werden“ ist ja auch irgendwie so dieses „mündige Bürger*in werden“, ist ja so ein Synonym davon, so ein bisschen denke ich. Und weil du, Robinson, hast es ja erwähnt mit dem, diese Entdeckung der Kindheit sozusagen, das hat es ja mit dem Jugendalter auch noch mal gegeben. Das hat ja auch Böhnisch beschrieben, das Moratorium der Jugend, das ja offenbar einfach nicht mehr existiert. Das ist ja, in der neoliberalen Gesellschaft ist ja Jugend für Schule und Ausbildung ausschließlich, also, das sind ausschließlich Inhalte. Und auch mit diesem Mitentscheiden, wie Schule ist, was ich mich schon immer gefragt habe, auch wo ich noch so alt war. Warum zur Hölle muss man denn in der Hochzeit der eigenen Pubertät in die Schule gehen? Das ergibt doch überhaupt gar keinen Sinn. Alles andere ist wichtiger als Schule in dem Moment. Und es ist die absolute Belastung, es macht einfach nur fertig und kann ja auch zu nachhaltigen Schäden einfach noch führen, diese ganze Belastung, anstatt einfach mal zu entdecken, was eigentlich um mich herum ist und ganz andere Sachen zu lernen, die nicht auf dem Lehrplan stehen. Und dann dieses so lange still sitzen und irgendwie nicht reden eine Dreiviertelstunde bis man wieder zehn Minuten Luft holen kann und; das ist ja alles furchtbar. Und wenn dann halt wirklich dieses Pubertät-Thema reinkommt, dann braucht man sich auch nicht wundern, warum dann Leute schulabsent werden und da einfach nicht mehr hingehen, weil, was ist der Pull-Faktor in dieser Zeit in die Schule zu gehen?
Robinson: Auf das erste, ich denke, es ist sozusagen ein assimilatorischer Ansatz. Also, es gibt ein bestehendes Gesellschaftssystem, das wird von Erwachsenen gelabelt, kreiert und manifestiert und fortgeschrieben und dahin sollen sozusagen junge Menschen assimiliert werden und dort ihre Funktion erfüllen. Sei es als Arbeitskraft, sei es als wertvolles Mitglied der Gesellschaft, um es trotzdem mal in einem positiven Duktus auszudrücken, aber sie sollen funktionieren in dem System, was sozusagen da ist. Und was du meinst, ist ja, also da sind ja die Entwicklungspotenziale ganz anders und freier, zu sagen, es könnte ja auch was ganz Anderes rauskommen, als das, was sozusagen gegeben ist. Und das ist glaube ich der Grund, warum diese Inflexibilität, diese Starrheit dieser Bildungssysteme auch so angelegt ist, wie sie angelegt sind. Es sollen halt ein bestimmter Prozentsatz, also die, die das irgendwie nicht machen oder sich dennoch dagegen auflehnen, wehren oder das nicht mitmachen, darf sozusagen nicht die kritische Masse erreichen. Dann lässt sich das irgendwie handhaben, aber sozusagen die Einführung in das bestehende Gesellschaftssystem ist, glaube ich, ein großer Faktor. Es ist ja eine spannende Frage, inwiefern das einfach so ein verdeckter Lehrplan. Ist das wirklich so gewollt? Ist das eine bewusste Kanalisierung oder schreibt sich das irgendwie einfach selber fort immer? Weil dann kommen wir wieder auf den Eingangspunkt, Adultismus haben alle erlebt und reproduzieren das ständig.
Ela: Ja und nein. Also ich glaube, es ist auch möglich im Sinne von Zeitenwende, dass es da gesellschaftliche Veränderungen gibt. Also, um das mal ganz konkret zu machen: Das Frauenwahlrecht gab es ja auch nicht immer. Und wenn wir jetzt aus der Perspektive gucken, ist es auch in Deutschland knapp 100 Jahre alt, noch nicht mal ganz. Das ist also durchaus was, was sich entwickelt hat. Genauso wie sich Kindheit und Jugend als Lebensphasen und als andere Zustände als Erwachsensein auch etabliert haben. Und möglicherweise braucht es ja auch eine aufeinander aufbauende Veränderung, um dahin zu kommen, dass Gesellschaft nicht mehr nur nach einer Erwachsenenlogik strukturiert ist und auch starke Stimmen junger Menschen, die deutlich machen, dass sozusagen die Erwachsenenlogik auch gar nicht immer trägt. Also dass es eine Notwendigkeit für weiblich gelesene Personen gibt und gab, ebenfalls wählen zu dürfen. Das war ja eine sehr lange Zeit so nicht anerkannt. Das heißt, es haben Menschen dafür gestritten und gesagt, es braucht das aber, weil wir selbstverständlich gleichberechtigte Personen sind. Und das ist ja immer noch nicht so. Also auch wenn wir auf Gleichberechtigung von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten schauen, dann ist das faktisch nicht gegeben. Am einfachsten lässt sich das immer noch auf ein heteronormatives Bild Mann-Frau runterbrechen, aber auch wenn wir jetzt gucken auf Transpersonen oder non-binäre Personen, sobald das Thema auch auf diesen Aspekt kommt, entsteht wieder ein Ungleichgewicht und eine Machtungleichheit. Und das ist ja mit jungen Menschen genauso. Und ich bin der Meinung es gibt inzwischen Bereiche wo sich da durchaus was verändert und gleichzeitig gibt es ja dann auch wieder innerhalb der großen Spanne junger Menschen auch wiederum so eine Diskriminierung von älteren jungen Menschen gegenüber jüngeren jungen Menschen, was ihnen auch wiederum nicht zugestanden wird. Ich glaube, das ist so ein ganz schmaler Grat zwischen, wo brauchen Menschen aufgrund dessen, wo sie gerade stehen im Leben, welche Form des Angebots, der Unterstützung, um zum Beispiel Entscheidungen treffen zu können, Teil eines Dialogs zu sein oder sich einzubringen, ohne dass es bevormundend ist. Also es macht keinen Sinn einem Dreijährigen einen Wahlzettel in die Hand zu drücken, weil der Dreijährige höchstwahrscheinlich, sei denn es ist ein Ausnahmetalent das Lesen und Komplexdenken kann, aber er kann ja mit diesem Zettel einfach noch gar nichts anfangen, kann das ja nicht einordnen. Das heißt ja aber nicht, dass der Dreijährige, oder das dreijährige Menschenkind, um das ohne Geschlecht zu machen, nicht in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen. Die Frage ist, wie muss sozusagen diese Entscheidung für das dreijährige Menschenkind organisiert sein.
Robert: Das kann ja dann eigentlich nur individuell passieren. Und das ist dann natürlich, wenn man sich dann an die Frage der Umsetzung macht, wird das natürlich schwierig.
Ela: Genau. Das heißt, es braucht ja schon Absprachen, es braucht ja auch für ‚Wie werden Entscheidungen in Gruppen getroffen? Wie werden Entscheidungen in Gesellschaft getroffen?‘ Da braucht es verbindliche Spielregeln. Also die Notwendigkeit von Gesetzen können wir auch trefflich diskutieren und können natürlich die Frage stellen, ist es notwendig, allgemeingültige Gesetze zu haben? Ich sage nur John Rawls und auch die Perspektive des Nichtwissens, beziehungsweise den Schleier des Nichtwissens. Und die Frage, wie würdest du dann Entscheidungen treffen, wenn zum Beispiel die Voraussetzungen, die du hast, auch keine Rolle spielen würden bei Entscheidungen. Also wenn du völlig unbedarft auf Entscheidungen klicken kannst. Aber Fakt ist ja, dass keiner von uns so eine Rolle oder so eine Position einnehmen kann. Du bist immer geprägt von den Erfahrungen, die du bis zu dem Zeitpunkt gemacht hast.
Robinson: Das macht für mich auch, an der Stelle habe ich immer sozusagen die Unschärfe für mich an dem Adultismusbegriff oder an dieser Form der Diskriminierung, weil es ja aus meiner Perspektive an bestimmten Stellen ja doch einen legitimen Schutzauftrag gibt. Und, das kann man auch diskutieren, aus meiner Sicht auch einen legitimen Erziehungsauftrag. Dann sind wir immer noch bei der Frage der Ausgestaltung. Aber an dem Beispiel, ein Dreijähriger oder eine Dreijährige kann mit so einem Wahlzettel möglicherweise gar nichts anfangen, weil da einfach noch eine Menge an, also A ist die Entscheidung erstmal gar nicht dran an dem Punkt, also dann sind wir wieder bei entwicklungspsychologischen Phasen, die es ja auch gibt, also das ist ja auch eine Errungenschaft sozusagen von Kindheit und Jugendphase als eigenständige Lebensphase zuzugestehen. Es gibt unterschiedliche Entwicklungsschritte, die junge Menschen gehen und die sie gehen können und sollen können, so ungefähr. Also da wird es für mich manchmal unscharf, wo ich mich dann frage, okay, also die Diskriminierungsform an sich verstehe ich und wie geht man sozusagen dann mit legitimen Schutz- und Erziehungsaufgaben um, die dann ja, auch da haben wir den Link zu Gesetzmäßigkeiten wieder, dann doch irgendwie Erwachsenen obliegen.
Ela: Genau, und da kommen wir an den Punkt, an welcher Stelle reden wir von einer strukturellen Diskriminierung. Und das ist meines Erachtens dann der Fall, wenn das zum Beispiel gesetzlich oder institutionell verankert ist und junge Menschen aufgrund der Strukturen diskriminiert werden. Und nicht geguckt wird, zum Beispiel bei dieser individuellen Entscheidung oder bei dem individuellen Blick, was ist denn möglich für diese Person, sondern gesagt wird ‚Das Menschenkind ist drei Jahre alt. Das ist möglich.‘ Und die Frage ist, wie können wir zum Beispiel strukturelle Gegebenheiten adultismuskritisch reflektieren, also beispielsweise Gesetze auf den Prüfstand stellen und die Frage stellen, mit Blick auf gesellschaftliche Veränderungen, auf Ausdifferenzierung von Lebensphasen, auf Ausdifferenzierung von Globalisierungsprozessen und Ähnlichem, dass sie auf die Zeit und die Art dessen, wie sich Menschen entwickeln und wie Gesellschaft jetzt funktioniert, angepasst werden können. Und dann ist es möglicherweise auch eine Erweiterung von Perspektiven. Und die Frage danach, Absenkung des Wahlalters, anders zu diskutieren. Und zu sagen, ja klar, eine Absenkung des Wahlalters ist inzwischen notwendig. Genauso wie vor 100 Jahren die Einführung vom Frauenwahlrecht. Und ich glaube, das ist der Punkt, wo ich glaube, dass es lohnenswert ist, sowohl als Fachkraft als auch als Mensch und Teil dieser Gesellschaft zu schauen, wo ist es notwendig und aus welchen Gründen, welche Personen mit einem Gesetz zu schützen und zu stärken und zu empowern und wo verhindern aber beispielsweise auch Rahmenbedingungen oder Gesetzlichkeiten Zugänge?
Robert: Auf jeden Fall eine spannende Frage und da finde ich, also ploppt bei mir auf jeden Fall so ein Dilemma auf wie bei allen anderen gesellschaftlich relevanten Themen. Wollen wir innerhalb des Systems was verändern oder braucht es eine Systemänderung, um quasi Adultismus wirklich zu bekämpfen? Weil die Frage ist ja auch immer danach, nach welchen Logiken funktioniert unsere Gesellschaft? Und solange Wirtschaftswachstum beispielsweise eine der wichtigsten Größen für eine Gesellschaft ist oder zu sein scheint, wird Schule und Ausbildung auch immer darauf ausgerichtet sein, genau das zu produzieren. Und allein das vernichtet ja schon ganz viele Möglichkeiten, die wir gehen könnten. Und da ist halt die Frage, wo... Also letztendlich, wenn wir es ursächlich betrachten, führen ja alle Kämpfe immer wieder zusammen an die Systemlogik, um zu sagen, okay, eigentlich müssten wir uns was... Wir müssen erst mal wieder denken lernen, uns überhaupt was ganz Anderes vorzustellen als das, was gerade ist. Und vielleicht können dabei auch gerade junge Menschen unglaublich helfen, wenn sie nicht nur irgendwie, ach das ist ja spannend, was hier Kinder oder Jugendliche für eine Sicht haben, sondern, okay, dann entscheiden die das jetzt mal. Dann gucken wir mal, wie das wird. Um einfach mal auch wirklich was anzustoßen. Und wenn ich jetzt nochmal speziell auf Jugend gucke, auch so international, dann sind es ja gerade junge Menschen, die soziale Bewegungen initiieren, ins Leben rufen, als erstes die Kompetenz mit Social Media hatten, um dann eine riesen Reichweite aufzubauen. Und das scheint ja eine Kompetenz zu sein, wo junge Menschen, älteren Menschen oder erwachsenen Menschen deutlich überlegen sind, offenbar. Und das wird aber dann auch nicht anerkannt. Also zumindest wird es nicht mit Entscheidungsbefugnissen oder irgendwie sowas honoriert. Also das sind irgendwie ganz viele Fragen stehen da irgendwie mit zusammen.
Ela: Ich glaube, es braucht aus meiner Perspektive beides, es braucht eine Veränderung im System und das passiert ja an einigen Stellen schon. Also wenn wir jetzt gucken, 2025, an welchen Stellen zum Beispiel die Meinung junger Menschen eingeholt wird oder auch zumindest erwogen wird, an welchen Entscheidungsprozessen junge Menschen beteiligt werden sollen, in welchen Gremien inzwischen auch Sitze für junge Menschen geschaffen werden, dann hat sich da ja was verändert im Vergleich zum Status von 2015 oder von 2005. Und gleichzeitig bedeutet das ja noch keine Systemveränderung im Gesamten. Ich glaube aber, dass es beides braucht und beides auch immer wieder eingefordert werden muss, damit es möglich ist und auch Good Practice- oder Best Practice-Beispiele erforderlich sind, in denen sichtbar wird, zum Beispiel junge Menschen haben für bestimmte Sachen die Kompetenzen, um dieses Narrativ aufzulösen. Und ich glaube, das braucht wie bei vielen anderen Sachen auch mehrere Generationen. Also ich mache mal ein ganz anderes Beispiel auf. Der Umgang mit Tieren und mit Haustieren ist jetzt in 2025 ein ganz anderer, als er 1905 war. Das heißt nicht, dass es 1905 nicht auch Menschen gab, die Tiere nicht nur als Nutzwesen gesehen haben, aber der gesellschaftliche Blick auf die Beziehung zwischen Mensch und Tier, Fragen von Tierethik oder auch Fragen von Tierrechten war kein Diskursthema. Und das ist es jetzt auch nicht flächendeckend und globalisiert auf der Welt. Aber es ist inzwischen ein ganz anderes Denken. Und ich glaube, das ist genau das, was sich über so viele Generationen manifestiert hat und natürlich auch immer wieder neu konstruiert wird, braucht ja einen veränderten Blick. Und das ist für mich genau die Frage nach Jugendarbeit und der Haltung von Fachkräften, weil es gar nicht nur um die Strukturen geht, in denen wir uns bewegen müssen, sondern auch die Art und Weise, wie wir uns dazu verhalten. Also ob die Perspektive ist: okay, lass gucken, was ist möglich und wie kann ich dich darin unterstützen, dass das, was möglich ist, für dich erreichbar ist. Oder ist es die Perspektive: ah, das geht eh nicht. Und das ist die gleiche Struktur, aber die Frage nach Haltung, nach dem: okay, du hast ein Anliegen, du hast eine Idee, was können wir damit machen. Ohne dass ich gleich sage: Warte kurz, du bist doch erst 13. Das und das ist der Rahmen. Nee, erstmal, okay, du bist wichtig. Was möchtest du eigentlich? Oder was möchtet ihr als Gruppe? Und dann können wir in dem gleichen strukturellen Rahmen völlig unterschiedliche Entwicklungen der Situation und auch damit wiederum völlig unterschiedliche Erfahrungen, die junge Menschen sammeln, hervorbringen. Und ich glaube, das ist so ein bisschen auch ein Schlüssel, wo wir aber eben auch nicht frei sind, weil beispielsweise in Bezug auf Ausbildung und Hochschule und Studium ja auch die Frage ist, wie sehr werden denn dort auch Haltungen und möglicherweise auch adultistische Positionen, aber auch Hierarchien und Machtstrukturen, wiederum verstärkt und unterstützt? Also wie sehr ist zum Beispiel die Erzieher*innenausbildung, sensibilisiert sie auch angehende Fachkräfte, sich und das eigene Handeln und die eigene pädagogische Haltung kritisch zu hinterfragen? Genauso wie Menschen im Studium. Bloß weil ich studiere und mich mit Theorie auseinandergesetzt habe, heißt es ja noch lange nicht, dass ich eine jungen Menschen zugewandte Haltung habe oder entwickeln oder weiterentwickeln kann.
Robinson: Und hinzukommen, es gibt auch da rechtliche Grundlagen, die das ja auch einschränken. Also dann sind wir wieder bei dieser Systemfrage. Du hattest am Anfang mal das mit den Angeboten. Welche Angebote stellen wir eigentlich für wen zur Verfügung? Und da gibt es ja, ob nun von Fördermittelseite, Vorgaben, das ist für die Altersgruppe und da werden diese, also was weiß ich, 14 bis 17, da werden diese Kompetenzen zugeschrieben und da gibt es dann Angebote dazu. Und das macht es halt nicht an dem Entwicklungsstand fest oder an den Bedürfnissen oder an den Ideen, die junge Menschen mitbringen, sondern eben rein an dem Alter. Und das ist tatsächlich etwas, was man, glaube ich, gut kritisieren kann, weil es auch widerlegt ist. Weil die Entwicklungsstände so unterschiedlich sind, die Rahmenbedingungen, unter denen junge Menschen aufwachsen, völlig unterschiedlich sind. Und das an einer Jahreszahl festzumachen, ist eigentlich ein bisschen absurd. Und das widerspricht ja so ein bisschen auch eigentlich den Standards und Grundhaltungen, die in der Jugendarbeit durchaus verbreitet sind. Ob die alle Fachkräfte teilen und ob die im Arbeitsalltag, in den alltäglichen, vielfältigen Aufgaben, denen sich Fachkräfte gegenübersehen, auch immer so auf dem Schirm haben. Also Haltung ist ja was, was ich verinnerliche. Das ist ja was, worauf ich mit allen Dingen, die ich tue, gucke. Und reflektiere. Und dennoch gibt es da, glaube ich, schon auch Grenzen, die das mitunter verhindern.
Ela: Voll. Und gleichzeitig ist es ja auch eine Frage des Umgangs mit diesen Grenzen. Also, ich kann die einfach hinnehmen und als Fachkraft sagen: Ja schade, dafür kriege ich keine Finanzierung. Ich kann das rückspiegeln dem Fördermittelgeber. Ich kann das in meinem Team oder in meinem Träger kritisch diskutieren und kann die Frage stellen: Okay, welche Möglichkeiten gibt es, dort eine Veränderung zu erzielen oder zumindest erst mal eine Rückmeldung zu geben? Ich kann gucken, wie ich das ausgestalte. Also Rahmenbedingungen sind wichtig und sind manchmal auch nicht sofort veränderbar. Die Frage ist ja aber, wie bewege ich mich auch innerhalb von diesen Rahmenbedingungen und gleichzeitig auch, was mache ich denn mit den jungen Menschen, also wie kommuniziere ich in der Arbeit mit jungen Menschen, welche Möglichkeiten ich habe und was das auch für sie im Umkehrschluss bedeutet und warum ich zum Beispiel, um das mal ganz alltagspraktisch zu machen, warum ich meine Öffnungszeiten nicht von jungen Menschen aushandeln lasse. Ich bin jetzt mal ganz ketzerisch und sage: Okay, ein Offenes Kinder- und Jugendhaus sollte doch zu den Zeiten geöffnet sein, die für die jungen Menschen, die da hinkommen, gut sind. Sind wir uns wahrscheinlich einig drüber. Damit verbunden sind ja aber ganz viele Fragen. Die Fragen nach: Welche Interessen und Bedürfnisse haben die tatsächlichen Besucher*innen? Wie viel Überschneidung gibt es da? Wie finde ich das raus? Aber auch: Welche Möglichkeiten und Ressourcen haben Träger, Fachkräfte? Wie viel Gestaltungsspielraum gibt es im Hinblick zum Beispiel auf Nachbarschaft, auf Jugendschutzgesetz und so weiter? Und ich kann diese Rahmenbedingungen nehmen und kann überlegen, wie ich zum Beispiel zu einer Entscheidung komme – mit jungen Menschen, ohne jungen Menschen, als Team, als Träger. Und da gibt es unterschiedliche Wege, die nebeneinander möglich sind. Wenn ich das Ganze adultismuskritisch reflektiere, komme ich wahrscheinlich zu einer anderen Bewertung über den Weg, als wenn ich das nicht tue.
Robinson: Und es hat auch was mit Transparenz zu tun. Also den Prozess auch sichtbar zu machen für die Nutzer*innen. Also nicht irgendwas zu entscheiden, das zu setzen und sagen: Mir sind die Hände gebunden. Das sind die Rahmenbedingungen, an denen ich mich orientieren muss. Sondern tatsächlich in den Austausch zu gehen und dann eben auf der Entscheidungsebene zu gucken, okay, was in diesem Bereich können wir denn trotzdem gestalten, ist gestaltungsfähig und was, und das kann man transparent machen, liegt in dem Moment nicht in meiner Hand und was brauche ich denn, um vielleicht da nochmal Änderungsprozesse anzustoßen. Ja, und das ist ja auch vor dem Hintergrund, also der letzte Punkt war so ein bisschen noch, auch Rahmenbedingungen zu verändern. Dann kommt ja so ein bisschen das Mandat der Jugendarbeit mit rein, also anwaltschaftlich für die Interessen junger Menschen einzutreten. Und das ist ja was Verbrieftes, also auch das ist ja eine gesetzliche Grundlage, das ist ja nichts, was so im luftleeren Raum hängt. Also das ist manchmal so spannend, weil sich so Gesetze auch widersprechen, oder mindestens so deutungsoffen sind an bestimmten Stellen, nicht an allen, dass sie eben eher denen in die Hände spielen, die im Machtverhältnis mehr Einflussmöglichkeiten haben.
Robert: Die Macht haben, das auszulegen, wie sie es brauchen. Und ich finde, genau dieses, wenn wir jetzt über Haltung sprechen, da haben wir ja auch ganz viel, auf das wir zugreifen können in der Sozialen Arbeit ganz generell. Aber ich habe das Gefühl, dass halt auch wieder in diesem von Erwachsenen konzipierten Studium, da überhaupt gar kein Raum groß dafür gegeben ist, das nachhaltig auszubilden. In einem angstfreien Raum, in einem Raum, wo es auch okay ist, irgendwie zu scheitern oder was auch immer. Und wir haben ja zum Beispiel sowas wie die Berufsethik, die ja von der International Federation for Social Workers übersetzt ist, schon lange und angewandt auf Deutschland. Vom DBSH, das ist ja letztendlich die Übersetzung und Anwendung. So wenige Menschen kennen das überhaupt. Das ist teilweise erschreckend. Und da stehen ja aber genau diese Grundlagen drin. Da steht auch drin, dass ich im Sinne meiner Adressat*innen handeln und mich damit meinen Auftraggeber*innen widersetzen kann. Das steht da drin. Und das ist ja eine super Unterstützung und was, worauf ich mich berufen kann, weil ich ja als Fachkraft von mir selber erwarten sollte, dass ich meine Entscheidung fachlich und ethisch begründen kann. Und für die ethische Begründung kann ich mir dann zum Beispiel so etwas wie die Berufsethik nehmen. Und da sind so viele Hilfen drin. Es ist aber nicht verbreitet genug, sich auch mal gegen Entscheidungen von Entscheider*innen zu stellen, sich gegen einen Chef zu stellen oder gegen einen Träger oder auch vielleicht mal gegen ein Amt oder sonst irgendwas. Klar ist es da überall nicht offiziell anerkannt, dass wir nach dieser Berufsethik handeln, aber das bedeutet ja nicht, dass wir dann deswegen nicht danach handeln, wenn uns das schon Möglichkeiten gibt, die quasi ein internationaler Konsens auf einer sehr breiten Ebene sind, um halt diese, zum Beispiel, diese ganzen Diskriminierungsformen, um da halt irgendwie ranzukommen und dem halt wirkungsvoll auch begegnen zu können.
Ela: Da sind wir ja bei der spannenden Frage: Kinder- und Jugendarbeit existiert ja nicht losgelöst, sondern ist ein Handlungsfeld der Sozialen Arbeit und damit Teil von einem gesellschaftlichen System. Das heißt also, in der Kinder- und Jugendarbeit ist ja davon auszugehen, dass die adultistischen Strukturen genauso existieren und auch reproduziert werden – sowohl in Ausbildung, Studium als auch in der Praxis. Weil die Frage danach, also das war jetzt nur das kleine Beispiel an Öffnungszeiten. Wir können das ja in verschiedenen Ebenen weiterdenken. Wer trifft welche Entscheidungen für wen und mit wem? Und an welcher Stelle wird es auch transparent gemacht und an welcher Stelle gibt es auch Möglichkeiten der Einflussnahme und Zugänge zu diesen Sachen? Also wer hat wiederum die Macht? Welche Hierarchie gibt es einerseits offiziell, aber auch, um nochmal darauf zu kommen, so informell? Das hatten wir ja auch am Anfang des Gesprächs, die Frage danach, wie funktionieren denn Prozesse. Das eine ist auch so dieses offizielle Prozedere, auch von politischen Entscheidungen, wie die getroffen werden, dass Gremien, beispielsweise Bundestag, Gesetze entscheiden kann. Was davor aber alles passiert, ist ja für die meisten Menschen nicht nachvollziehbar. Und die Stellschrauben, an denen ich die Möglichkeit habe, Einfluss zu nehmen, als Einzelperson, als Gruppe, als Initiative, als Verein, die sind auch nur denen klar und bewusst, die sich ganz tief damit auseinandergesetzt haben. Und ähnlich ist das ja, wenn wir das runterbrechen, auf unser Handlungsfeld in der Kinder- und Jugendarbeit. Die Frage nach den Möglichkeiten, die wir als pädagogische Fachkräfte haben, aber auch die Frage nach den Möglichkeiten, die junge Menschen haben, Kinder- und Jugendarbeit mitzugestalten und adultismuskritisch einfach mal zu denken und die Frage zu stellen: Wo ist denn, wo haben wir denn welche Macht? Wie sind denn die Machtpositionen verteilt? Wir hatten, also aus meinem beruflichen Kontext heraus, einen ganz spannenden Workshop zu Macht und Mitbestimmung mit einer Einrichtung aus der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und das spannende war halt tatsächlich auch mit verschiedenen Personen, die in unterschiedlichen Funktionen in der Einrichtung aktiv sind, mal drauf zu gucken: Wer hat denn tatsächlich welche Macht? Wer darf denn zum Beispiel was entscheiden? Wer ist denn bei welchen Sachen dabei? Und wie ist es auch für die unterschiedlichen Personen? Und es hat nochmal auch so aufgemacht, dass es tatsächlich ja auch unterschiedlich ist und nicht für alle gleichermaßen auch nachvollziehbar. Und damit fängt es ja zum Beispiel an: Mache ich nachvollziehbar, wie diese Entscheidung zustande kommt? Das macht sie noch nicht besser. Aber zumindest zu verstehen, dass es ganz schwierig ist, mit allen, die beteiligt und betroffen sind, gemeinsam die Öffnungszeiten zu entscheiden, weil die Bedürfnisse so unterschiedlich sind. Das macht erstmal nachvollziehbarer, warum es vielleicht aktuell eine Entscheidung gibt, wer diese Entscheidung treffen darf. Heißt ja nicht, dass mensch die nicht in Frage stellen kann.
Robinson: Das finde ich ja auch spannend, weil es ist ja auch eine Zuschreibung an die Jugendarbeit, zu sagen: Ihr seid für die... Also einerseits ist es natürlich gut, dass es anwaltschaftliche Vertretungen gibt, um bei dem Mandat nochmal zu bleiben, die für die Rechte junger Menschen einstehen und sie irgendwie begleiten dabei. Andererseits ist es ja immer auch die Zuschreibung an die Kinder- und Jugendarbeit oder überhaupt an die Soziale Arbeit, wenn wir es mal weiter fassen wollen: Ihr seid dafür zuständig. Uns betrifft das nicht. Uns im Wirtschaftsministerium oder in der Regionalentwicklung. Vielleicht tangiert uns das mal, aber ihr seid doch die Expert*innen. Also dann lasst doch mal die Beteiligung in eurem Bereich. Und wenn ich jetzt mal ganz aktuell auf so Strukturentwicklungsbereiche gucke, wo sich viele Dinge verschränken, also wo sich ganze Regionen verändern aufgrund von wirtschaftlichen Gegebenheiten auch und dann neben so lebensweltlichen Dingen wie: Wie ist denn der Ort jetzt gestaltet, wenn bestimmte Dinge wegfallen? Wie ist Arbeit gestaltet, also was macht diese Region weiterhin attraktiv? Wie gehen wir mit Wegzug um oder mit demografischen Entwicklungen allgemein und so weiter. Und das ist ja auch so eine ganz interessante Entwicklung. Da gibt es dann auch Beteiligungsprojekte, die werden dann im Kleinen auch wieder der Kinder- und Jugendarbeit zugespielt und gesagt: Hier, macht mal was. Wir machen mal ein Zukunftslabor.
Ela: Bitte nur zu dem und dem Ausschnitt.
Robinson: Genau. Und aber sozusagen die großen Entscheidungen, wie Wirtschaftsstandorte oder, ich habe jetzt mal hier dieses Eisenbahnwerk, was irgendwie zugemacht hat in Görlitz oder so, wo jetzt die Entscheidung kommt, soll da jetzt ein Rüstungsbetrieb hin, was ja eine weitreichende Entscheidung ist. Da ist das gar kein Thema. Oder wie jetzt hier, es gibt auch irgendeine Agentur die durch Deutschland reist und Standorte für Atommülllager sucht zum Beispiel. Und da gibt es, weil wir da als Stiftung mal angefragt wurden ob wir dann sozusagen die Jugendperspektive einbringen wollen in diese Standortsuche und wir das dann abgelehnt haben, weil das war so ein Pseudoding nach dem Motto: Ihr seid dafür da, aber Jugendliche an sich wollen wir nicht haben, aber ihr könnt ja sagen, was sie vielleicht irgendwie dazu zu sagen hätten. Also das finde ich auch noch mal spannend, diese Zuschreibung in Kinder- und Jugendarbeit, da immer aussagekräftig zu sein und gleichzeitig das als Feigenblatt zu nutzen, dass man selbst nicht noch nochmal im ersten Schritt über Transparenz nachdenken muss.
Robert: Das könnte ja mit Adultismuskritik genauso sein. Wenn hier jemand adultismuskritisch ist, dann ja die Jugendarbeit. Dann können die das ja machen. Und dann braucht es der Rest der Gesellschaft…
Robinson: Trifft auf uns nicht zu.
Robert: Aber es geht ja, also es gibt ja so dieses Ideal irgendwie, Soziale Arbeit muss sich irgendwann selber abschaffen. Ob man jetzt daran glaubt, dass es irgendwann passiert oder nicht, ist ja egal. Aber das als Ideal zu haben, hat ja Ziele implizit. Zum Beispiel, dass sozialarbeiterisches Wissen und Kompetenz irgendwie in die gesamte Gesellschaft irgendwo Einzug erhält. Und das halt überall angewandt wird und nicht irgendwie so eine einzelne Profession sozusagen immer sowas wie ‚gesellschaftliche Gerechtigkeit‘ irgendwo thematisieren muss in bestimmten Bereichen, sondern dass es aus den Bereichen irgendwann selber raus selbstverständlich wird und dann Methodenwissen und alles Mögliche dann irgendwann zu da ist, im Bestfall. Und genau das ist ja auch das, was wir dann zurückspiegeln sollten. Also wenn wir uns jetzt darüber unterhalten, wie adultismuskritisch wir selber arbeiten können, dann ist das ja nicht ein Thema für die Jugendarbeit, sondern ein Thema für die gesamte Gesellschaft.
Ela: Voll. Und gleichzeitig ist es auch wieder, da würde ich sagen, beides. Es ist auch ein Thema für uns als Jugendarbeiter*innen oder Kinder- und Jugendarbeiter*innen und Kinder- und Jugendarbeit, zu fragen: Wie sehr haben wir das denn auf dem Schirm? Und wo reflektieren wir das? Im Alltag, aber auch in Fachveranstaltungen?
Robinson: Ich habe ein gutes Beispiel, ich weiß nicht, ob es gut ist, ich sage jetzt einfach, dass es gut ist. Ich habe vor einiger Zeit eine Befragung gemacht an die Fachkräfte der Jugendarbeit. Das ging hauptsächlich darum, also einmal thematischer Natur, wie sie sozusagen Querschnittsthemen, die so gesellschaftlich da sind, in ihrer Arbeit mitnehmen. Wie sehr sie glauben, Jugendliche können da andocken und so weiter und so fort. Das war so ein Punkt. Und der andere Punkt war, aus Sicht der Fachkräfte, wie sie denn auf Adressat*innen, auf Nutzer*innen ihre Angebote schauen. Und eine Frage war unter anderem, was sie als Hinderungsgründe bezeichnen, warum ihre Angebote – da ging es vordergründig so ein bisschen auch auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit bezogen – wo es eine Tendenz gibt, dass da weniger Nutzer*innen in die Einrichtungen kommen. Und da war eins, also das am stärksten angegebene Motiv, warum junge Menschen die Angebote nicht wahrnehmen, war ‚mangelndes Interesse‘. Und jetzt gerade in der Diskussion da hieß es so, also wir haben natürlich keine Jugendlichen befragt, also das kann man methodisch kritisieren daran, das haben wir nicht gemacht, wir haben nur die Fachkräfte gefragt. Aber das am stärksten vertretene Motiv war ‚mangelndes Interesse‘ und die Antwort ‚unsere Angebote passen vielleicht nicht‘, die war ich glaube gar nicht oder wenig vertreten. Also vor dem Hintergrund und der Reflexionsfähigkeit oder dem Blick auf kritischen Adultismus ist das ja auch nochmal spannend. Ich habe das nicht dahingehend betrachtet, sondern es ist mir jetzt in dem Gespräch eingefallen. Aber das ist dann auch nochmal eine spannende Aussage. Also das nicht bei sich zu gucken, wo sind denn unsere Angebote nicht passend oder müssen wir vielleicht flexibler reagieren auf Bedarfe und Entwicklungen junger Menschen? Sind wir vielleicht auch zu starr? Sondern das wird ausgelagert auch erstmal und in dem Fall an junge Menschen.
Ela: Und eine spannende Frage in dem Zusammenhang wäre ja auch: Was interessiert denn die jungen Menschen? Was weißt du denn, was wissen Sie denn, was wisst ihr denn über das, was die jungen Menschen interessiert? Und wie kommen auch diese Angebote zustande? Also gerade mit Blick auf Offene Kinder- und Jugendarbeit. Ich bin da so eine große Freundin von den klassischen Prinzipien, angefangen bei Freiwilligkeit, Diskursivität, Partizipation und eigentlich ist es ja aus meiner Perspektive, Offene Kinder- und Jugendarbeit meint Offenheit auf mehreren Ebenen und Dimensionen und dazu gehört, dass das, was passiert an dem Ort, ebenfalls von den Kindern und Jugendlichen bestimmt wird. Das heißt, in meiner Logik ist nicht, oh, ich habe gesehen, die Kids sprühen ab und zu mal Graffiti und wir machen jetzt ein Graffiti-Angebot, sondern schon, es gibt ein Interesse daran, die Kids wollen das und wissen vielleicht nicht gleich, wie sie das selber hinbekommen, aber auf die Frage hin, boah Mensch, wäre das mal was, was hier stattfinden sollte, gibt es zum Beispiel die Rückmeldung ‚Ja‘. Und okay, wie stellst du dir das vor, also auch die Möglichkeiten das, was innerhalb vom Treffangebot entwickelt wird, gemeinsam mit den jungen Menschen zu entwickeln oder im Bestfall gestalten sie das selber aus. Und da gibt es glaube ich noch eine ganz große Bandbreite, wie sozusagen das, was passiert, in welchen Zeiten das passiert.
Robinson: Und wie das in der Alltagspraxis verankert ist. Also da sind wir wieder fast beim Thema Haltung. Also jetzt nicht nur zu sagen: Heute ist Tag des offenen Treffs, heute dürft ihr entscheiden. Das liest man ganz oft. Ich möchte es nicht despektierlich verstanden wissen, aber. Wir haben ja auch verschiedenste Voraussetzungen, Einzelkämpfer*innen in den Einrichtungen, viele zeitliche Aufgaben, die noch eine Rolle spielen, die gar nichts mit der eigentlichen Aufgabe, mit der eigentlichen Arbeit zu tun haben. Aber dennoch lese ich das ganz oft. Es gibt ein Programm für die Woche und dann gibt es einen Tag des offenen Treffs in der Offener Kinder- und Jugendarbeit. Und tatsächlich oft unterschrieben mit dem Satz: Heute dürft ihr entscheiden. Und da frage ich mich, wie gut kann man das auch in der Alltagspraxis verankern und eben genau diese reflexiven Schleifen einzuführen: Was mache ich denn eigentlich? Und Offenheit, vielleicht noch als Zusatz, das heißt ja nicht, ihr könnt machen, was ihr wollt. und es ist einfach, keiner macht euch irgendwas. Sondern ‚offen‘ heißt einfach, offen für die Themen zu sein, die junge Menschen mitbringen. Und wenn es das Graffiti ist. Aber vielleicht steckt ja auch noch was Anderes dahinter. Und das irgendwie mit denen gemeinsam zu entwickeln oder sie dabei zu begleiten, vielleicht herauszufinden, was sie wollen.
Robert: Da finde ich nochmal ganz spannend, es ging jetzt ganz viel um Offene Kinder- und Jugendarbeit und in der Mobilen, wo ich ja auch herkomme, da geht das eigentlich gar nicht anders. Also wenn du dich nicht an den Interessen der jungen Menschen ausrichtest, dann gehen die einfach oder sagen, dass du gehen sollst. Du hast nicht so dieses Haus, wo du Angebote hast und irgendwer ist immer da, sondern du musst halt abschätzen können, wann sich welche Menschen wo treffen und warum. Wenn du dann einfach nur irgendein komischer Erwachsener bist, der mit irgendwelchen Vorschlägen kommt, die nicht so wirklich passen, dann haben die auch ganz schnell keinen Bock mehr drauf. Und da wir ja gerade in der Mobilen auch den Ansatz haben, die jungen Menschen machen die Regeln auf den öffentlichen Plätzen und worauf die Bock haben, passiert und worauf die keinen Bock haben, inklusive wir, passiert dann eben nicht. Dann merkst du halt ganz gut, ob du an den Interessen der jungen Menschen dran bist. Und vielleicht können da auch, das ist jetzt so ein, würde ich sagen, vielleicht nochmal eine besondere Expertise in der Mobilen vielleicht, wo auch Handlungsfelder vielleicht mehr im Austausch miteinander sein müssten und voneinander lernen können. Wie halt wirklich, also aus einer adultismuskritischen Sicht auch, was ist denn das Wichtige daran, irgendwie immer den jungen Menschen zuzugestehen, über die Plätze zu entscheiden und über die Präsenz von Fachkräften? Was bringt denn das für Vorteile und was für eine Art von Vertrauen kann daraus eigentlich entstehen?
Ela: Wenn wir beim handlungsfeldübergreifenden Lernen sind, wäre ja auch die Frage, was kann zum Beispiel Kinder- und Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit auch von Jugendverbänden oder selbstorganisierten Zusammenschlüssen lernen? Also gerade in der Jugendverbandsarbeit, die ja im KJHG, im SGB VIII gesetzlich verbrieft ist, als eine selbstorganisierte Form der Jugendarbeit von jungen Menschen für und mit jungen Menschen. Klar sind die oftmals auch angekoppelt an einen Erwachsenenverband oder Verein, der auch Strukturen hat, an denen sie sich mehr oder weniger stark orientieren. Und dennoch bietet ja auch Jugendverbandsarbeit ein enormes Potenzial für die jungen Menschen, die sich darin organisieren, Dinge auszuprobieren, Entscheidungen selbst zu treffen und/oder auch Entscheidungen und Möglichkeiten für die Gruppe, den Jugendverband. Und ich glaube, das ist auch sowas, wo sich durchaus ein Blick lohnt. Was brauchen denn junge Menschen, um sich selber organisieren zu können, um Entscheidungen selber treffen zu können oder sich einzubringen? Unabhängig davon, dass es nicht heißt, dass plötzlich irgendwie jeder junge Mensch jugendverbandlich eingebunden oder organisiert sein soll. Aber so diese Frage, okay, für die jungen Menschen, für die das cool ist: Was ist denn das, was es cool macht und inwiefern ist das zum Beispiel auch übertragbar auf Offene oder Mobile Kinder- und Jugendarbeit? Weil in dem Moment, wo ich zum Beispiel anerkannt werde als Entscheider*in und akzeptiert werde, bedeutet das ja auch, eine Begegnung auf Augenhöhe wird vorausgesetzt. Und es wird nicht infrage gestellt, dass ich entschieden habe „Sorry, wir haben gerade ein persönliches Gesprächsthema, da seid ihr nicht eingeladen, macht es gut“. Und dann ist aber die Rückmeldung auch nicht „Können wir nicht vielleicht doch bleiben?“, sondern „Okay, dann sind wir weg“. Und das ist ja beim Jugendverband, ganz anders thematisch, aber ja auch ähnlich. Wenn dort eine Entscheidung getroffen wurde, dann folgt darauf auch eine Umsetzung und nicht zwangsläufig noch mal eine Nachfrage. Und so Sachen auch voneinander ein Stück weit lernen zu können und da auch zu gucken, was brauchen denn junge Menschen, damit sie selber auf Augenhöhe als Expert*innen, als junge Person gesehen und gehört werden.
Robinson: Ich habe zwei Gedanken. Der eine zur Mobilen. Das ist tatsächlich ja auch ein anderer Ansatz, also aufsuchende Arbeit nochmal im Kern. Da sind wir wieder bei den Rahmenbedingungen. Wer macht denn die Regeln? In dem Fall, wo du bist, ist das ja erstmal öffentlicher Raum. Da darf ja grundsätzlich erstmal jeder sein. Auch wenn das natürlich nicht stimmt in der Realität. Sondern dass es da auch starke Einschränkungen gibt. Wer darf wo sein? Also siehe Corona und die vielen Auswirkungen, wie Jugendliche da gelesen wurden, als diejenigen, die die Pandemie vorantreiben, die sich nicht an Regeln halten, obwohl im Nachgang festgestellt wurde, dass die die am meisten Leidtragenden waren, weil sie die größten Einschränkungen empfunden oder den größten Einschränkungen ausgesetzt waren, kein oder kaum Mitspracherecht hatten. Also da haben wir eine ganz starke Adultismus-Macht-Verschiebung sozusagen. Und das gar nicht stimmte. Letztlich hat sich dann gezeigt, dass sie nicht mehr die Regeln gebrochen haben als alle anderen. Die waren eigentlich eher nur die Leidtragenden oder die größten Leidtragenden. Aber das mit der Mobilen finde ich ja auch spannend, weil das ist ja erstmal ein öffentlicher Raum in dem sozusagen das Angebot besteht und punktuell, also auch was du gesagt hast, ich biete es an. Wenn es gerade nicht dran ist, dann ist es auch okay wieder zu gehen. Dann finde ich das ja schon was, was mit Haltung zu tun hat. Dann nicht zu sagen, da komme ich aber nicht wieder, wenn ihr mich jetzt nicht wollt. Ich formuliere es mal ein bisschen flapsig. Sondern dann zu sagen, okay, wenn du mich brauchst, ich bin da und da zu finden. Und ansonsten komme ich nächste Woche einfach mal an dem Platz wieder vorbei. Das finde ich schon auch, das hat eine andere Qualität nochmal. Nicht umsonst gibt es ja so Tendenzen auch bei der Offenen herausreichende Arbeit zu machen, wo sich das auch manchmal so ein bisschen zwackelt mit der Mobilen, also wo es gerade einen starken Diskurs gibt darum, wer macht denn jetzt was, mit unterschiedlichen Standards, die dahinterliegen und auch unterschiedliche Arbeitsweisen. Und da ja auch nochmal mit Gruppenarbeit, Einzelfallhilfe und so weiter auch nochmal ganz andere Schwerpunkte gesetzt werden können bei der Mobilen. Und wir haben uns im Vorfeld unterhalten, ja, und da war die Perspektive Jugendverband ja auch schon mal da. Du hast jetzt sozusagen so einen positiven Schwenk gemacht. Wir haben uns aber im Vorfeld darüber unterhalten, die Verbände in ihrer Struktur werden ja auch ausschließlich von Erwachsenen gemacht. Also weiß ich nicht, ob ausschließlich, da müsste ich nochmal gucken, ob das wirklich so ist. Aber wir haben über die Kreisjugendringe geredet und so weiter und so fort und das ist ja doch eine Struktur, die erwachsenenlastig ist. Das heißt nicht, dass sie nicht Bedarfe junger Menschen berücksichtigen und die einfließen lassen, aber grundsätzlich ist es glaube ich schwer aus jugendlicher oder Kindheitsperspektive diese Strukturen aufzulösen und zu sagen ‚Das sind gar nicht die für uns passenden Strukturen, wir brauchen ganz andere Dinge‘. Bei den Pfadfindern würde mir jetzt, da fehlt mir sozusagen das Wissen, wie das da strukturiert ist. Und ansonsten habe ich ja noch an so selbstverwaltete Jugendreffs gedacht, die wir ja oft auch, also auch wir in unserem Programm, als Freiräume par excellence sozusagen beschreiben. Das stimmt natürlich auch nicht ganz. Also auch die sind eingebunden an, also ein Beispiel ist, wo kriegen die denn ihre Orte her? Wer bestimmt über die Räumlichkeiten? Wo die die herkriegen, also nehmen wir mal eine Kommune, da ist entweder alles im Privatbesitz oder alles gehört der Kommune. Die können nicht einfach irgendwo sagen, ich mache jetzt hier mal was auf, das ist ein Platz, der gefällt mir, hier will ich sein, hier stelle ich jetzt einen Wagen hin oder eine Hütte. Das geht, glaube ich, nicht. Also sie sind sozusagen auch dem Wohl und Wehe ausgeliefert von Entscheidungsträger*innen, die dann doch wieder in der Erwachsenenwelt zu finden sind.
Ela: Und gleichzeitig ist, glaube ich, bei jedem Freiraum immer eine Frage, was macht denn diesen Freiraum aus? Und wer entscheidet sozusagen, wie viel Freiraum dieser Freiraum bereitstellt? Beim öffentlichen Raum seid es ja nicht nur ihr. Ihr seid es in dem Kontext, wo ihr jetzt als Streetworker*in da seid und sozusagen den Teil des öffentlichen Raums zu dem Freiraum junger Menschen macht, in dem sie entscheiden können, ob ihr bleiben dürft als Gäst*innen oder ob ihr gehen müsst. Gleichzeitig können die jungen Menschen ja nicht alles, was in diesem öffentlichen Raum passiert, alleine entscheiden. Und dann kommt es zu Konfliktsituationen, wo andere Interessent*innen sagen, okay, dieser Freiraum gehört aber auch ein Stück uns oder der Meinung sind, dass dieser öffentliche Raum, dieser Freiraum stärker ihnen gehört als anderen. Und dann ja auch die Frage ist, okay, wer darf denn am Ende über diesen Freiraum wirklich entscheiden? Wer hat da welche Zugänge, auch diesen Freiraum zu gestalten? Und das können wir auf fast jeden Raum nehmen. Wir können es im Jugendverband nehmen und können da die Frage stellen, wie viel Freiraum haben die Jugendlichen, die Kinder in diesem Jugendverband, die Art und Weise, wie Dinge sich entwickeln, wie Entscheidungen getroffen werden, selber zu bestimmen? Wie viele Möglichkeiten haben junge Menschen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, über die für sie wichtigen Sachen mitzubestimmen? Wer trifft am Ende welche Entscheidung? Wer hat welche Machtposition und was bedeutet denn Macht auch?
Robert: Macht kann sich ja auch etablieren oder ist auch ganz oft unreflektiert. Also Machtquellen vor allem sind ja oft unreflektiert da. Da muss ich mich wirklich intensiv mit beschäftigen, dass ich die entdecke. Und das ist für mich eine aktive Haltungsarbeit, an die ich immer wieder ran muss und die auch nicht aufhören darf. Und auf jeden Fall wünsche ich mir, dass das eine Praxis überall ist, in der Sozialen Arbeit. Auch immer wieder alles. Also Adultismus ist ja ein Thema von nahezu unendlich vielen Themen, die irgendwie mit unserer Haltung zu tun haben. Aber ich finde, die Logik, wie unsere Haltung irgendwie funktioniert und sich auch gut anfühlt in der Gesellschaft, die, es wiederholt sich ja ganz oft, egal mit welchen Themen wir darangehen. Und irgendwann macht es ganz wenig Mühe, finde ich, an so Haltungsaspekte ranzugehen. Weil man ist es irgendwie gewohnt, auch sich selber in einem kritischen Licht zu sehen, irgendwie eigene Entscheidungen oder auch Sichtweisen zu hinterfragen, das wird ja auch einfacher. Und gerade bei diesem Adultismusthema, das ist, glaube ich, eher weniger stark verbreitet, würde ich behaupten. Also auch um da ein bisschen Mut zu machen, an so ein großes, komplexes Thema heranzugehen, einfach auf das zurückgreifen, wie man das schon bei anderen Themen gemacht hat. Ich meine, wir arbeiten ja auch nicht rassistisch, zum Beispiel. Oder geben uns zumindest Mühe. So ganz kriegen wir das wahrscheinlich aus unserer Gesellschaft so schnell nicht raus. Aber da können wir ja uns auch darauf beziehen und auch so darangehen. Also das ist genau richtig. Dieser Knackpunkt ist halt die Haltung, mit dem halt alles anfängt.
Ela: Und tatsächlich auch gemeinsame Reflexionsräume zu schaffen, wie so Entscheidungen, wie so Methoden, wie das didaktische Auftreten, also wirklich alle möglichen Aspekte gestaltet werden und wer da auch welchen Gestaltungsspielraum hat. Und Macht zu reflektieren. Macht und Hierarchien. Weil wir sind ja auch nicht frei davon, wir sind ja eingebettet, sowohl als Fachkräfte in ein Team, in eine Einrichtung, in einen Träger, in ein Leitbild, Selbstverständnis von Organisationen, aber auch Fachstandards von einem Handlungsfeld, die uns genauso einen Rahmen geben, Berufsethik und ähnliches. Und die Frage, oder eine Frage, die damit verbunden ist, ist ja immer, wo schaffe ich sozusagen das auch in meinem Alltag zu reflektieren. Und natürlich ist es nicht bei jeder Entscheidung immer möglich, einen großen Reflexionsprozess zu haben, aber bestimmte Sachen auch in einer Regelmäßigkeit, und sich Raum zu schaffen für genauso ein kritisches Hinterfragen. Und auch die Frage danach, wie wird denn diese Entscheidung beispielsweise auch wahrgenommen von jungen Menschen? Also um nochmal kurz auf deine Erhebung zurückzukommen, wo du sagst, mangelndes Interesse. Wenn ich jetzt das angekreuzt hätte, würde ich entweder losgehen und danach Jugendliche fragen, sagt mal, Leute, ich wurde letztens gefragt, wie unsere Angebote angenommen oder nicht angenommen werden. Und da wäre es mir aufgefallen, ich habe das Gefühl, euch interessiert das gar nicht. Was interessiert denn euch eigentlich?
Robinson: Ich denke auch, dass dieser Zugang, du hast es nochmal schön auf den Punkt gebracht, die Haltung ist ja erstmal einer, der leistbar ist, sagen wir es mal so. Das klingt zwar ein bisschen blöd, aber es ist jetzt, wenn man denkt, oh Gott, Adultismus, alle sind betroffen, die ganze Menschheit hat es schon mal erlebt, das ist tief verankert in der Gesellschaft, dann kann ich nichts machen. Also, das kann das ja auch auslösen, aber darum geht es ja gar nicht. Es geht ja nicht um eine Auflösung dieses Komplexes, sondern es geht um eine sensible Haltung und das den jungen Menschen gegenüber. Und dann sind wir auch wieder als Fachkräfte gefragt, das auch weiterzutragen als Multiplikatoren. Also ich selber arbeite gar nicht mit jungen Menschen, aber ich sitze natürlich an bestimmten Stellen mit Fachkräften zusammen und mit Entscheidungsträger*innen und dort zumindest, da sind wir wieder bei der anwaltschaftlichen Vertretung, das Thema mitzudenken, mitzunehmen und auch dort zu sensibilisieren dafür. Und das mit den Angeboten finde ich super. Es ist ja eigentlich, also es klingt einfach, zu sagen, okay, ich habe das jetzt angekreuzt. Und das ist ja der reflexive Moment. Ich habe es angekreuzt aus einem Impuls heraus. Und sich dann zu fragen, warum habe ich das eigentlich angekreuzt? Und dann zu sagen, jetzt frage ich doch einfach mal. Und dann sind wir auch gleich noch bei Transparenz. Also es lässt sich nicht gleich alle Fallstricke auflösen, sozusagen. Aber mit Transparenz kommt man glaube ich so einen ersten Schritt voran zu sagen, ach, ich habe bei einer Umfrage mitgemacht und dann habe ich angekreuzt, ihr habe kein Interesse und dann habe ich mich gefragt, was interessiert euch eigentlich. Also das ist ja kein Monsterprozess, den man da anstößt. Das finde ich schon nochmal spannend.
Ela: Ja und auch diejenigen, die es betrifft, zu fragen. Also manche Entscheidung kann ich vielleicht nicht abgeben, weil die Möglichkeit der Entscheidung im Augenblick nicht für mich übertragbar ist. Das heißt ja aber nicht, dass ich mir nicht trotzdem eine Perspektive einholen kann oder dass ich gucken kann, okay, wie kann ich im Sinne von Power-Sharing die Macht und Verantwortung, die ich habe, mit denjenigen teilen, die betroffen sind. Benedikt Sturzenhecker hat so einen schönen Satz in einem Text, wahrscheinlich auch in mehreren, wo es um Beteiligung geht und die Frage danach, Entscheidungen sollten die mit treffen können oder beteiligt sollten die sein, die betroffen sind von der Entscheidung. Und das sehe ich genau bei dem Thema auch. Und das heißt ja nicht, dass am Ende tatsächlich sofort alle entscheiden können, aber überhaupt erstmal ein Bewusstsein zu entwickeln, wer hat denn hier welche Voraussetzungen, welche Privilegien, im Sinne auch von Privilegien-Check. In der Ausgabe „Rassismuskritische Kinder- und Jugendarbeit“ hatten wir das auch schon mal, also die Frage nach, methodisches Herangehen, um als Fachkraft sich diesem Thema auch zu stellen, weil das Rassismuskritik-Thema oder rassismussensibles Arbeiten, diskriminierungssensibles Arbeiten, ist ja einfach eins, was uns täglich begegnet, auch mit Blick auf andere Formen der Diskriminierung, die wir jetzt gar nicht so sehr diskutiert, aber in ein, zwei Stellen angeteasert haben. Und ich glaube, sich dort auch immer mal wieder die Frage zu stellen, welche Privilegien haben wir als Fachkräfte in unserer Arbeit, in unserem Träger, gegenüber den jungen Menschen? Wie sieht es eigentlich auch für die jungen Menschen aus, mit denen wir arbeiten? Und wo gibt es Möglichkeiten tatsächlich Macht zu teilen? Oder Macht zu übertragen?
Robinson: Da haben wir doch das perfekte Tool in dem Heft.
durcheinander: Ja! Check deine Haltung. Werbeblog. Hashtag.
Robinson: Naja, aber, also, das ist ja ein Ansatz. Und wir haben uns ja auch aufgemacht zu gucken, wie kann denn sowas gelingen. Also es war auch nicht so, dass wir sofort wussten, das und das musst du machen, dann ist es safe. Sondern es ist tatsächlich ein Weg gewesen zu gucken, okay, über welche Hilfsmittel kann man jetzt auch im Team, in der Organisation, als Träger das mal so ein bisschen ganz für sich erstmal auf den Prüfstand stellen. Um genau dann dazu zu kommen. Also zu transparenten, zu, wie kann man denn Macht teilen, an welchen Stellen geht es und wie kriege ich Transparenz hin, wenn ich es nicht machen kann. Aus Gründen, aus guten Gründen vielleicht auch. Also wir haben ja das schon besprochen. Es gibt einen Schutzauftrag und den zu Recht. Aber trotzdem das nicht als für ewig in Stein gemeißelt anzusehen, sondern zu gucken, wo gibt es Möglichkeiten der Aushandlung, des Teilens.
Ela: Und was sind vielleicht auch Voraussetzungen, um bewusst eine Entscheidung zu treffen, die außerhalb des Rahmens liegt? Also für alle Beteiligten. Kann ich Entscheidungen treffen, die außerhalb des Rahmens liegen? Unter welchen Voraussetzungen?
Robert: Das ist ja genau dieses außerhalb des Rahmens Denkens. Das ist ja auch so eine Kompetenz, die wir erstmal brauchen. Auch wenn, was du jetzt meintest, mit so Schutzprinzipien, Gesetzen, die wir haben, und dass das auch wichtig ist, ist ja auch ein weiteres Narrativ in der Gesellschaft, dass Freiheit und Sicherheit sich gegenseitig ausschließen. Je mehr Freiheit, umso weniger Sicherheit und andersrum quasi. Aber das muss ja überhaupt nicht so sein. Und dieses einfach Out of the box-Denken. Ich nehme da immer gern das Beispiel: Wenn ich will, dass meine Nachbarschaft sicherer wird, dann kann ich mich für eine Bürgerwehr einsetzen, die da irgendwie ehrenamtlich die Nacht die Straße hoch und runter patrouilliert. Ich kann mir aber auch denken, vielleicht reicht es ja schon, wenn ich meine Nachbarn mal kennenlerne. Das ist einfach außerhalb dieses Rahmens. Und ich glaube, das zu denken, muss man glaub ich auch üben. Im Team auch.
Ela: Auch den Rahmen an sich zu reflektieren, sich den Rahmen auch nochmal bewusst zu machen. Was ist denn eigentlich gerade der Rahmen, in dem wir uns bewegen? Also ja, natürlich macht das einen großen Unterschied, ob ich in einem Kinder- und Jugendhaus, in einem Offenen Jugendtreff oder im öffentlichen Raum auf der Straße unterwegs bin. Und das ist nicht nur die Tatsache, dass ich Gästin oder Gast bin, sondern das ist natürlich auch verbunden damit, wenn ich ein Haus habe, muss ich mir einfach mal Gedanken über das Thema Hausrecht machen. Wer darf das wie umsetzen? Wo ist das sichtbar, was auch sozusagen der Rahmen dieses Hauses ist, wer dort willkommen ist und so weiter. Sich genau das auch an den passenden Stellen, also ich kann mir das natürlich nicht immer, nicht in jeder Situation in meinem Alltag vergegenwärtigen, aber kurz zu checken, situationsbezogen, okay, warte mal kurz, klassisch wie bei der Ersten Hilfe. Es passiert ein Unfall, du kommst dazu, dann guckst du ja auch erstmal. Was ist passiert? Eigenschutz beachten, im Sinne von okay, was kann ich denn hier tun? Was sollte ich vielleicht nicht tun, wenn da ein Startstromkabel gerissen ist? Dann reagiere ich anders, als wenn ich sehe, okay, da ist ein Kind mit dem Fahrrad gestürzt und auch da macht es ja einen Unterschied. Gehe ich als erstes hin und hebe das Fahrrad auf oder frage ich das Kind, ob es Hilfe braucht? Oder noch besser, ich nehme das Kind und stelle es auf die Beine. Das ist ja gestaltbar. Und sich so ein Bewusstsein zu schaffen über: Was ist hier eigentlich? Welche Möglichkeiten habe ich in diesem Rahmen? Und was weiß ich von den anderen Beteiligten und/oder Betroffenen, was sie auch wollen?
Robinson: Ich bin mal so frei und stelle mal die Frage, ob wir jetzt, also für mich war es gerade irgendwie rund, aber ich will das nicht allein entscheiden. Brauchen wir noch was für die Themenfragen? Das hat sich für mich sehr fluffig angefühlt, gar nicht so sehr an dem, also doch schon, ich habe alle Aspekte wiedererkannt, aber gar nicht so streng im Sinne an diesen Fragen lang gehangelt, das hat es gar nicht gebraucht irgendwie. Ich habe auch mal so geguckt, wir sind jetzt bei einer anderthalben Stunde. Das ist glaube ich gut Material und ich glaube es war auch kein Leerlauf, also ich kann mich nicht erinnern, dass wir irgendwie Leerlauf hatten thematischer Natur. Aber vielleicht gibt es noch was, was aus eurer Sicht ungesagt ist.
Robert: Also bei vielen könnte man ja noch sehr viel tiefer reingehen. Ich glaube, eine Sache, auf die ich gerne nochmal hinweisen würde, und zwar nochmal, wenn wir uns angucken, wie unterschiedlich auf Kinder und dann auf Jugendliche nochmal geschaut wird. Weil ich habe das Gefühl, dass Jugendliche die am negativ geframteste Altersgruppe in der Gesellschaft sind. Und wenn wir uns das gerade angucken mit diesem ganzen Generationenbegriff-Wahnsinn, der auch wissenschaftlich wirklich kaum haltbar ist und auch ganz schwierig ist und auch sehr diskriminierend sein kann. Aber was wir gerade erleben, auch viel in Medien, ist, was ist die Jugend gerade? Die sind irgendwie faul, die sind nicht belastbar, die sind irgendwie ungebildeter, die sind respektlos und was weiß ich noch alles. Und das ist halt ein Trend, den gibt es seit über 3000 Jahren. Man kann das in der ganzen Zeitgeschichte immer wieder nachlesen, dass Erwachsene genau so über Jugendliche sprechen. Und nicht über Kinder, sondern halt wirklich über Jugendliche. Und ich finde, das ist schon nochmal eine Besonderheit. Das ist einfach, Jugendliche sind immer an allem schuld. Wie du meintest, mit Corona, da sind die schuld, dass es sich verbreitet hat. Dann haben sie sich auf die Straße geklebt, sind daran schuld, dass Krankenwagen nicht zu ihrem Einsatzort kommen. Und dann wurde ihnen gesagt, die sollen das nicht machen und mal ein bisschen konservativer werden. Jetzt wählen sie rechts, jetzt sind sie demnächst an Faschismus schuld. Also Jugendliche sind immer schuld an allem. Und ich finde, das ist noch mal auch eine Besonderheit. Da hängen irgendwie ganz viele Erwartungen und sehr sehr viele adultistische Verhaltensweisen von einfach in der gesamten Gesellschaft, die auf Jugend als Phase. Finde ich einfach noch einen spannenden Aspekt, wo man vielleicht bei einer anderen Gelegenheit nochmal...
Robinson: Zustimmung zu dem, also wie du es gesagt hast. Ich habe so die Frage, ist das jetzt unter dem Thema Adultismus oder stecken da noch andere Mechanismen dahinter sozusagen? Also du hast das ein bisschen mit Generationsgerechtigkeit... Wir haben, glaube ich, in der Planung der Ausgabe war das ja erst irgendwie zusammen und dann war das aber doch ein bewusster Schritt zu sagen nee, das ist noch mal was Eigenständiges. Das hast du jetzt als Wort mit reingebracht. Das sind sicherlich noch andere. Bei Generationsgerechtigkeit stecken ja auch noch andere Themen drin, also wie gehen wir mit Ressourcen um für eine Zukunft, der wir gar nicht mehr angehören, aber Jugendliche schon.
Ela: Ja, und wie werden auch Entscheidungen getroffen für zukünftige, also für Menschen, die in der Zukunft mehr von diesen Entscheidungen betroffen sind, als Menschen, die in der Gegenwart diese Entscheidungen treffen können. Ich glaube, das ist sehr, sehr verbunden mit diesem Adultismus-Blick und geht gleichzeitig aber darüber hinaus. Und das wäre nochmal spannend, tatsächlich auch die Frage nach Generationen und Generationengerechtigkeit in Verbindung mit Adultismus und auch Ageism zu betrachten. Also auch das finde ich sehr spannend, weil es ja auch bestimmten Menschen einer oder mehrerer Generationen, die erfahren ja genauso Zuschreibung zu was sie dann nicht mehr in der Lage sind. Die einen sind noch nicht in der Lage, die anderen sind nicht mehr in der Lage dazu. Die einen sind schuld, weil sie etwas nicht getan oder zu viel getan haben, die anderen übrigens auch, weil sie vergessen haben, etwas zu tun. Also, das ist jetzt so ein bisschen platt und es gibt da, glaube ich, auch viele Stellen, wo das hakt und gleichzeitig gibt es aber auch so viele Schnittstellen, wo das wieder diese Diskriminierung aufgrund von Alter so ausmacht. Ich habe mich so ein bisschen gefragt, wie es gelingt als Fachkräfte, die genau die Gruppe, die Gruppen, nicht die Gruppe Jugendlicher oder die Jugend in dem Sinne, aber wie es gelingt als Fachkräfte, die für und mit diesen jungen Menschen arbeiten, wirklich sensibel und widerständig zu bleiben, um junge Menschen tatsächlich zu empowern selbstbestimmt und so gut wie sie sind, sein zu dürfen. Weil sie sind gut, sie sind großartig, sie sind manchmal faul und das sind wir alle und sie sind vielleicht manchmal konservativ und wahrscheinlich hat auch jedes Menschenkind von uns, also nicht nur uns dreien, sondern auch anderen formal altersmäßig erwachsen gelesenen Menschen, konservative Überlegungen, weil wir natürlich irgendwie alle auch geprägt sind von der Welt, die wir bisher erlebt haben. Ich glaube, das ist so, wo ich mir denke, da auch immer wieder laut zu sein für und mit jungen Menschen und an den richtigen Stellen auch einen Schritt zurückzutreten und zu sagen, das muss ich nicht sagen, das kann Ihnen oder euch die Gruppe, die Person viel besser beantworten. Natürlich nicht, also junge Menschen auch da nichts über zu helfen, sondern das gemeinsam mit ihnen zu tun und sie nicht vorzuführen und auch nicht so zu tun als ob, sondern ernsthaft Macht und Verantwortung teilen, denn sie tragen diese Verantwortung für sich und ihr eigenes Leben ja schon.
Robinson: Das ist spannend. Ich habe immer mal dieses Bild, dass der Verwalter, die Verwalterin der kritischen Masse, das ist ja immer mal so ein Kritikpunkt auch an der Sozialen Arbeit oder an der Jugendarbeit. Ich weiß gar nicht, wo ich das gehört habe, das ist ein bisschen tief gekramt. Also die Kritik an der Jugendarbeit ist, dass sie verwaltet ja genau diejenigen, die nicht ins System passen, aus einer bestimmten Perspektive heraus. Nicht, dass ich die teile, aber... Und damit trägt sie dazu bei, dass das Gesamtsystem funktioniert, weil sozusagen die kritische Masse in Schach gehalten wird. Die, die vermeintlich nicht ins System passen. Das ist ja so ein Punkt, der da gut anschließt, an den, wenn du sagst, wie kann es gelingen wieder mit jungen Menschen, für jungen Menschen laut zu streiten, sie zu empowern und so weiter. Und eben nicht nur als Verwalterin aufzutreten oder Verwalter, zu sagen, ja, ihr wisst nichts mit eurer Freizeit anzufangen, dann kommt ihr zu uns, wir basteln ein bisschen was und dann ist gut. Also das ist jetzt sehr flapsig ausgedrückt. Das schneiden wir dann raus.
Ela: So verstehe ich zum Beispiel meine Profession nicht.
Robinson: Nee, aber ich glaube, dass es dort durchaus Tendenzen gibt.
Ela: Und die werden ja auch von außen verstärkt. Also durch ein neoliberales, wirtschaftlich orientiertes System, das natürlich auch Jugendarbeit eine Rolle zuschreibt. Ist doch super, wenn Jugendarbeit GTA-Angebote an Schule macht, dann ist doch für alle irgendwie so ein bisschen gesorgt. Die Schule hat einen kompetenten Partner, der sich mit jungen Menschen auskennt und entsprechend geeignete Angebote konzipieren kann und die Jugendarbeit, wo die jungen Menschen jetzt eh nicht so häufig hinkommen, die kann das doch gleich übernehmen. Also das ist jetzt wirklich sehr runtergebrochen, sehr pauschal, aber das ist ja durchaus auch eine Frage, die sich Jugendarbeit genauso stellen muss. Wo bringen wir uns ein, aus welchen Beweggründen? Das heißt nicht, dass eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule nicht sinnvoll, tragfähig und gut sein kann. Und das heißt auch nicht, dass Jugendarbeit keine GTA-Angebote machen soll. Das will ich damit nicht sagen. Aber dieses drüber nachdenken, warum machen wir das? Für wen machen wir das? Was bedeutet das, wenn wir ein GTA machen als Offenes Kinder- und Jugendhaus? Für das Haus, also einerseits mit Blick auf personelle Ressourcen, Öffnungszeiten und so weiter. Was bedeutet das aber auch für die Nutzer*innen, die vielleicht bisher zu uns gekommen sind, weil wir nicht Teil von einem System sind, mit dem sie strugglen?
Robinson: Auch diese Zuschreibung präventiver Arbeit, also ausschließlich für präventive Arbeit zuständig zu sein. Ich habe eine Idee für diese Sachen jetzt, weil das waren ja noch spannende Themen, die ja eigentlich darüber hinausgehen, was wir wollten. Also vielleicht machen wir tatsächlich unten irgendwie so eine letzte Runde, also im Sinne des Interviews, wo wir genau diese Themen nochmal mitgeben einfach. Also so ein Gespräch verstehe ich ja auch so, dass es, wenn es gut funktioniert, dass sich dann eben Fachkräfte vielleicht sogar im Team hinsetzen und weiter diskutieren. Das meinte ich halb spaßig mit diesem Check deine Haltung. Also das zusammen mit so einem Gespräch, was sich so entspinnen kann oder was hier nachzulesen ist, wären das ja noch so Anregungen, Themen weiter zu diskutieren. Weil das sind ja tatsächlich spannende Perspektiven. Also wie wird generell auf Jugend geguckt, schon immer und sind die jetzt der Sündenbock für alle Sachen, die Erwachsene nicht hinkriegen. Bin hin zu dem, was du jetzt noch gesagt hast, wie, für was sind sie denn zuständig?
Ela: Ich wusste gerade an Rosa Luxemburg denken und den Gedanken, dass Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden ist.
Robert: Mir sind gerade noch zwei kleine Antworten auf deine Endfrage eingefallen. Wie können wir das eigentlich etablieren, da dran zu bleiben? Das eine ist eine ganz kleine Methode, die ich letztens kennengelernt habe. Six Feet Deep heißt die. Und man kann sich als Team hinsetzen, man hat irgendeine Aktion gemacht oder so und fragt dann, warum haben wir das gemacht? Und das macht man einfach sechs Mal. Und dann kommt man höchstwahrscheinlich bei irgendwelchen Prinzipien oder Menschenrechten oder irgendwas raus. Und kann dann so ein bisschen checken, ob das irgendwie sinnhaft gelaufen ist. Und apropos sinnhaft, was wir auch manchmal machen, auch nicht oft genug wahrscheinlich, aber in der Teamberatung mal einfließen zu lassen, wie sinnhaft wir eigentlich gerade unsere eigene Arbeit empfinden. Alle persönlich im Team tatsächlich und was daran gerade sinnhaft ist und warum. Ich glaube, das können gute Motoren sein, um an Themen wie Adultismus dran zu bleiben.
Ela: Was wir auch oft machen im Team ist zum Beispiel uns nach Aktionen oder im Verlauf von Prozessen auch zu reflektieren, wie war jetzt zum Beispiel die pädagogische Interaktion, wie ist das, was wir geplant hatten sowohl methodisch als auch inhaltlich bei den jungen Menschen angekommen und haben wir Bezug genommen zu dem was sich junge Menschen gewünscht haben. Und tatsächlich auch die Frage, war das was wir getan haben hilfreich und für wen? Und auch diese Frage danach zu stellen, okay, warte kurz, wer ist denn eigentlich unser Auftraggeber? Was ist eigentlich ganz konkret unser Auftrag und nehmen wir diesen Auftrag an und wenn ja, warum? Oder auch, was wir auch machen, so bei Planungen von Dingen, die jetzt nicht direkt selber von jungen Menschen kommen, trotzdem junge Menschen, es müssen auch gar nicht die jungen Menschen sein, die am Ende teilnehmen, aber junge Menschen zu fragen, okay, pass mal auf, wir haben eine Idee, so und so heranzugehen. Am Ende sind es junge Menschen, die davon das erleben, die das nutzen oder Teil der Veranstaltung sind. Was sagt ihr dazu? Was haltet ihr von unserem Herangehen? Also sozusagen auch die Perspektive, die wir ja nicht mehr einnehmen können oder nur aus einer, ich kann antizipieren aber wie weit geht denn dieses Antizipieren, tatsächlich zu hinterfragen oder erfragen. Ich glaube das geht auch leicht. Oder so im Alltag. Ja, wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen. Stell dir vor, was würdest du jetzt sagen, wenn du die Entscheidung treffen müsstest?